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Biografiearbeit Spiele bringen Erinnerungen zurück

Aktion im Johanniterhaus Genthin-Wald: Mit historischem Spielzeug wurden bei Senioren Gespräche über Kindheit und Jugend angeregt.

Von Mike Fleske 04.04.2016, 11:00

Genthin l „Schauen Sie mal, kennen Sie solche Puppen noch“, fragte Annett Mennicke in die Runde. Die Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes im Johanniterhaus hielt eine große Zelluloidpuppe in die Höhe. „Das ist Felix, er stammt aus dem Besitz eines älteren Herren, der ihn dem Kreismuseum in Genthin überlassen hat“, erläutert Mennicke. „Solche Puppen hatten meine Schwestern auch“, fügte ein älterer Herr an. „Damit haben sie sehr gern gespielt und ihnen verschiedene Sachen angezogen.“

Im Johanniterhaus beschäftigten sich die Mitarbeiter gemeinsam mit den Bewohnern in den vergangenen Wochen mit historischem Spielzeug. Mit der Aktion sollten die Erinnerungen der Senioren angeregt und Gespräche über Kindheit und Jugend initiiert werden. „Die Kindheit und Jugend ist sehr positiv besetzt, selbst bei denen, die im Krieg aufgewachsen sind, oder die in der Landwirtschaft der Eltern mithelfen mussten“, erklärt Katharina Willging, Leiterin des Sozialen Dienstes. Durch die kleine Ausstellung mit historischen Spielwaren leiste man einen Beitrag zur Biografiearbeit, die im Umgang mit Demenzkranken einen wichtigen Raum einnehme.

Die Vorteile dieser Arbeit liegen auf der Hand: „Weil Spielhandlungen positiv besetzt sind, denken auch Erwachsene immer wieder freudig an die schönen „spielerischen“ Erfahrungen aus der Kinder- und Jugendzeit zurück“, erläutert Willging die Idee. „Wir wollen Gespräche unter den Bewohnern anregen und damit positive Momente schaffen.“ Denn das Langzeitgedächtnis speichere Kindheitserlebnisse sehr lange.

„Die Senioren entwickeln durch spielerische Aktivitäten ein Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.“ Gemeinsam mit dem Kreismuseum Jerichower Land und privaten Leihgebern wurden verschiedene Spielwaren zusammengetragen. Historische Brett- und Magnetspiele, Spielbälle, Teddybären aber auch Handpuppen waren darunter. Letztere lösten bei den Senioren sofort ganz besondere Erinnerungen aus. „Puppen Götze“, entfuhr es einigen sofort. Der 1871 in Wusterwitz geborene Wilhelm Götze reiste als Artist und Marionettenspieler durch die Lande und war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders in der Region zwischen Brandenburg und der Altmark bekannt.

Bei vielen Senioren waren auch noch viele Straßenspiele wie Hüpfkästen, Murmelschießen oder Stelzenlaufen veranlassten die Teilnehmer zu einigen Erzählungen. „Mit Stelzen sind wir auf dem Schulhof um die Wette gelaufen und manchmal auch lang hingeschlagen“, berichtete eine Dame mit Schmunzeln. Viele der Ausstellungsstücke für die Erinnerungsaktion stammten aus dem privaten Besitz von Anwohnern. Darunter auch Stücke aus dem Kaufmannsladen oder Porzellanpuppen.

Besonders bei den älteren Herren kamen historische Holz-Dampfmaschinen aus den 20er Jahren oder Holzautos gut an. „Wer handwerklich geschickt war, hat sich so etwas selbst gebaut“, erzählte ein Herr. Das Geld sei knapp gewesen, daher hätten die Kinder viel Spielzeug selbst gebaut. Angereichert wurden die Wochen durch gemeinsamen Gesang und einen Auftritt der Kinder der Diesterweg-Grundschule. Die Grünen Damen im Johanniterhaus hatten ebenfalls ein Repertoire an alten Liedern vorbereitet, dass sie den Senioren vortrugen und bei dem sie zum Mitsingen animierten. Antonia Beran, Leiterin des Kreismuseums, hatte sich auch gern in die Aktion einspannen lassen.

„Wir haben einen ansprechenden Fundus von historischem Spielzeug und in der Vergangenheit damit auch schon Ausstellungen bestritten“, sagt sie. In Erinnerung sei ihr noch die Sonderschau „Kinderwelten“, bei der vor fünf Jahren rund 300 Exponate aus privater Hand im Museum zu sehen waren. „Auch dort hat sich gezeigt, dass in jedem Spielzeug eine eigene Geschichte steckt.“ Einige davon seien in der Ausstellung erzählt worden. Ähnlich lief es im Johanniterhaus. Dort zogen die Mitarbeiter ein positives Fazit der Aktion. Viele Gespräche seien initiert worden. „Manchmal auch erst lange nach den Veranstaltungen.“

Einige Male mussten die Mitarbeiter auch ihr fachliches Geschick einsetzten. „Wenn ich das hier alles sehe“, meinte eine Seniorin mit Blick auf die historischen Spielwaren, „wird mir richtig schwer ums Herz.“ Auch das gehört zum Erinnern dazu - Wehmut und Sehnsucht nach einer längst vergangenen Zeit. „Wir haben auch solche Gefühle zugelassen und die Bewohner bei solchen Gedanken begleitet“, sagt Katharina Willging