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Abschied Rente für Genthins Streetworkerin

Streetworkerin Petra Schiele in Genthin war die gute Seele in vielen Bereichen. Nun geht sie in den Ruhestand.

Von Mike Fleske 28.02.2020, 00:01

Genthin l „Es sind noch einmal aufregende Tage“, bekannte Petra Schiele am Rande einer Abschiedsveranstaltung im Jugendhaus Thomas Morus, wo sie seit 2004 gearbeitet hat. Viele Weggefährten der Sozial- und Jugendarbeit vieler Institutionen des Landkreises waren vor Ort, alle aktuellen Kollegen des Jugendhauses und Menschen, die Petra Schiele lange verbunden sind. Sie alle bereiteten der 63-Jährigen ein Fest mit vielen herzlichen Begegnungen, um die einzige Streetworkerin Genthins in den Ruhestand zu verabschieden.

Der langjährige Jugendhausleiter Bernd Neumann, seit einigen Jahren selbst im Ruhestand und nun Vorsitzender des Morushaus-Fördervereins, erinnerte an die Anfänge der Tätigkeit von Petra Schiele. Er habe 2003 einen Anruf aus dem Burger Jugendamt bekommen mit dem Angebot eine Streetworkerstelle in Genthin einzurichten.

Es gab eine Menge Konfliktpotenzial. Während im Jugendhaus mit einer Hausordnung klare Regeln vorhanden waren, sei es auf der Straße nicht so einfach gewesen. Jugendcliquen an den Bushaltestellen, Skater am Bahnhof und in der leeren Halle der Zuckerfabrik, Schmierereien an Hauswänden, Vandalismus am Mausoleum im Volkspark. „Die Frage war, können wir diese Jugendlichen ins Morushaus ziehen“, erinnerte sich Neumann.

In dieser Situation wechselte Petra Schiele vom Corneliuswerk in den Streetworkbereich nach Genthin. „Sie gab den Kindern und Jugendlichen Perspektiven, unterstützte sie und hatte ein offenes Ohr, das sind die großen Stärken von Petra Schiele“, lobte Neumann in seiner sehr persönlichen Rede. Sie sei die Sozialarbeiterin des Jerichower Landes, die alle kennt. „Petras Vernetzung ist perfekt.“ Dadurch habe sie Kinder und Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen begleiten können, jungen Leuten mit Suchtproblemen helfen und Schulabgängern auf den Weg in den Beruf beistehen können. Neumann nannte die scheidende Streetworkerin einen Glücksfall für Genthin und das Jugendhaus.

Nicht minder herzlich fiel die Petra Schieles Verabschiedung durch ihrer jetzigen Kollegen aus. So hatte etwa Erzieherin Birgit Klunter eine Präsentation mit Bildern aus der Tätigkeit von Petra Schiele zusammengestellt. An Ferienfreizeiten, das Gartenprojekt, Jugendforum, Aktionstage im Volkspark und auf dem Marktplatz wurde erinnert. Auf allen Bildern war Petra Schiele immer mitten unter den Kindern und Jugendlichen. Nicht zuletzt lag ihr die spielerische Vermittlung Wissen am Herzen – über andere Länder und Kontinente und über andere Menschen.

„Sie ist unermüdlich im Einsatz“, sagt der heutige Jugendhausleiter Ronny Harzendorf. „Ich bin nie der Erste bei Dienstbeginn. Wenn ich manchmal morgens zur Arbeit komme, ist sie mit ihrem Dienstfahrrad in der Stadt unterwegs, um Schulschwänzer einzusammeln.“ Für ihn sei es eine spannende Zusammenarbeit gewesen.

Ähnlich äußerten sich auch die Erzieher Birgit Heinzelmann und Sebastian Kroll. „Die Arbeit ist wichtig, der Ruhestand auch“, meinte Pfarrer Stephan Donath vom Träger des Jugendhauses der St. Marien-Gemeinde. Mit Verweis auf die Bibel und das Buch Koheleth, sagte er: „Alles hat seine Zeit.“ Nun beginne die Zeit ohne Arbeitsleben. Die Vertreter der beiden weiteren Träger Stadt und Landkreis, Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) und Landrat Steffen Burchhardt (SPD) schauten später vorbei. Dafür waren Mitglieder des Jugendforums vor Ort. „Die Zusammenarbeit mit Petra war immer toll, ich habe von ihrem Organisationstalent viel gelernt“, sagt Sarah Eckold vom Jugendforum. Sie erinnert sich gern an Weihnachtsmarktveranstaltungen oder Fußballturniere, die der Streetworkerin am Herzen liegen. „Von der Wertschätzung, die mir in den letzten Arbeitstagen entgegengebracht wurde, bin ich überwältigt“, sagte die scheidende Streetworkerin. Sie sei dankbar für ihren bisherigen Lebensweg trotz Entbehrungen und Problemen. Ihre Eltern hätten ihre Familie immer so durchgebracht, sie habe als Erste studieren dürfen. „Dafür bin ich dankbar.“ Lange musste sie kämpfen, bis aus der Streetworkstelle als zeitlich eingeschränkter Maßnahme eine feste Stelle wurde.

Sie werde sich jetzt ihrer zum Teil quer durch Deutschland verstreuten Familie widmen. Vier Kinder und sieben Enkel hoffen bereits, dass sie mehr Zeit für sie habe.

An ihrer alten Wirkungsstätte hat sie den Boden bereitet für eine erfolgreiche Fortführung ihrer Arbeit. Die Betreuung des Jugendforums teilen sich künftig Schulsozialarbeiterin Ines Blachney und Sebastian Kroll, den Morushausgarten und die Gartengruppe betreut Mario Randel. Und auch eine Streetworkstelle wird es weiterhin geben. „Das Auswahlverfahren läuft, es gibt einige Bewerber, und die Stelle ist auch künftig fest geplant“, kündigt Ronny Harzendorf an.

Petra Schiele bleibt Genthin auch weiterhin verbunden. „Beim nächsten Fußballturnier bin ich wieder mit dabei“, versprach sie. Einfach so Ruhestand und alles bisherige sein lassen – das geht mit 63 eben doch noch nicht.