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Abwasser Streit unter Genthiner Gebührenzahlern

Kunden des Genthiner Trink- und Abwasserverbandes, deren Grundstücke an die dezentrale Abwasserentsorgung angeschlossen sind, machen Druck.

Von Simone Pötschke 09.09.2020, 07:00

Genthin l Wenn die Vertreter der Mitgliedsgemeinden des Trinkwasser- und Abwasseverbandes Genthin (TAV) am 30. September zu ihrer Verbandsversammlung zusammenkommen, wird sie auch der offene Brief beschäftigen, den Bürger aus Kader Schleuse an die Geschäftsleitung des kommunalen Unternehmens gerichtet haben. Seine Kernaussage: Haushalte, die nicht an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen sind, werden durch den TAV finanziell benachteiligt. Die dezentralen Entsorgungskosten, wird in dem offenen Brief angeführt, betragen zirka das Dreifache der zentralen Entsorgungskosten. Das verstoße nach ihrem Dafürhalten gegen das Solidarprinzip. Gefordert werden gleiche Gebühren für zentral und dezentral angeschlossene Haushalte.

Dies hatte Hartmut Nothe aus Kader Schleuse bereits bei der vorangegangenen Verbandsversammlung im Juni vorgetragen. Zwischenzeitlich gab es Gespräche zwischen ihm und der Geschäftsleitung. „Wir nehmen uns der Sache an. Wir sind nach wie vor auf der Suche nach Lösungsan- sätzen“, sagte TAV-Geschäftsführerin Loretta Kablitz auf Anfrage der Volksstimme. Trotzdem will sich die Geschäftsleitung nicht zu großen Versprechungen hinreißen lassen. Denn das Thema ist komplex und hat eine lange Vorgeschichte.

So lässt Loretta Kablitz keinen Zweifel daran, dass der TAV Genthin die dezentrale Abwasserentsorgung, bei der ein Entsorger zwischengeschaltet wird, nicht in eigener Regie stemmen kann. Die Anschaffung notwendiger Technik, Personalausgaben oder eine Ausschreibung an Dritte – das alles verursache Kosten, die auf alle Gebührenzahler umgelegt werden müssten.

Ersten Schätzungen zufolge würde sich bei einer Gesamtumlage die Gebühr für alle TAV-Kunden wenigstens um 10 bis 15 Cent pro Kubikmeter Abwasser erhöhen. Im Verbandsgebiet des TAV sind 96 Prozent der Haushalte an die zentrale Entsorgung angeschlossen.

Auch ein Hinweis der Beschwerdeführer auf die Brawag, einen Dienstleister aus Brandenburg, der die Kosten für dezentrale und zentrale Abwasserentsorgung zu einem einheitlichen Preis erhebt, ist laut Kablitz nicht auf den TAV Genthin anwendbar. Die Brawag sei im Gegensatz zum TAV ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das verschiedensten Segmente, nicht allein den Trinkwasser- und Abwasserbereich, bediene. Damit könne es Gewinne und Verluste unternehmerisch auch über den Preis ausgleichen.

Die Gebührenunterschiede zwischen der dezentralen und zentralen Abwasserentsorgung haben im TAV allerdings auch eine Verbands-Vorgeschichte.

Anfang der 1990er Jahre war der TAV bestrebt, alle Orte des Verbandsgebietes an eine zentrale Abwasserentsorgung anzuschließen, ohne jemals eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung angestellt zu haben. Die ist seit Anfang der 2000er Jahre bei der Fördermittelvergabe gang und gäbe.

Lutz Nitz, langjähriger Vorsitzender TAV-Verbandsversammlung, erinnert sich daran, dass der TAV in den 1990er Jahren – im Gegensatz zu anderen Verbänden, die übergroße Kläranlagen bauten – die zentrale Erschließung sehr vorsichtig angegangen sei. Er hätte sich zunächst auf die großen Orte konzentriert. Etliche Grundstückseigentümer kleinerer Orte hätten seinerzeit durchaus für eine Fortsetzung der dezentralen Entsorgung plädiert, weil zu diesem Zeitpunkt der technische Zustand der Kläranlagen noch als Übergangslösung vom Gesetzgeber akzeptiert wurde. Erst in den folgenden Jahren seien die Anforderungen an den Standard der dezentralen Anlagen erhöht worden. Damit hätten sich auch die Entsorgungs-Kosten geändert.

Wären seinerzeit auch unwirtschaftliche Grundstücke im ländlichen Raum an die zentrale Entsorgung angeschlossen worden, wären die Kosten explodiert und damit die Gebühren für die TAV-Kunden in die Höhe geschnellt, davon ist Nitz nach wie vor überzeugt. Es habe in den folgenden Jahren beim TAV zwar immer wieder Überlegungen gegeben, Restgebiete an die zentrale Abwasserentsorgung anzuschließen, räumt er ein. Im TAV habe sich jedoch die Auffassung durchgesetzt, dass der Gebührenzahler nicht für unwirtschaftliche Investitionen zur Kasse gebeten werden sollte.