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Ausstellung Kalkstein als Kunstobjekt

Marmor-Relief-Bilder von Reinhard Pieritz sind in der Stadt- und Kreisbibliothek Genthin zu sehen.

Von Mike Fleske 22.01.2018, 00:01

Genthin l Fliegender Wechsel im Veranstaltungsraum der Genthiner Bibliothek, kaum sind die Bilder von Fateh Nassif von den Wänden genommen, schon folgt die nächste Ausstellung, die genau so gut auch in einer Kunstgalerie hätte stattfinden können.

Der Potsdamer Künstler Reinhard Pieritz präsentiert 15 Werke, die allesamt mit einer Kalkpresstechnik entstanden sind. „Das ist eine der ältesten Verputztechniken, die es gibt, sogar in der Antike kannte man das schon“, erläutert Pieritz. Oft werden Fassaden oder Innenraumwände mit Kalkpresstechnik bearbeitet.

Der ehemalige Paplitzer, der 1975 Abitur in Genthin gemacht hat und heute in Wilhelmshorst bei Potsdam wohnt, nutzt die Technik für großformatige Bilder. „Das naturbelassene Material zeigt ein Spiel mit Lichtreflexionen aus tieferliegenden Farbschichten und Spiegelungen an der Oberschicht“, erläutert der Potsdamer die Besonderheit seiner Arbeiten.

20 bis 25 Schichten eingefärbten Kalks sind auf manchem Werk aufgebracht. Jede Schicht müsse etwa einen Tag trocknen. Da verwundert es nicht, wenn Pieritz einräumt: „Es gibt Bilder, die erst nach zwei Jahren wirklich fertig sind.“ Denn Schicht für Schicht arbeitet der Künstler mit dem Werk, verwirft und verbessert. So entsteht seine Kunst sozusagen Tag für Tag.

Die Bilder wirken trotz ihrer zahlreichen Farbnuancen oft eher dunkel. „Ich mache diese Bilder für mich und möchte es nicht schreiend bunt, ich bin kein Werbegrafiker, Buntes haben wir überall“, sagt er. Pieritz Bilder wirken dennoch sofort, ziehen den Betrachter in ihren Bann.

Aber nicht immer erschließt sich die Aussage unmittelbar. „Hier ist zum Beispiel ein Bild mit der Mühle in Langerwisch vor dem Sturm 2002“, erläutert er ein Bild, bei dem er die Stimmung des besonderen Momentes eingefangen hat. Nach dem Sturm stürzte die baufällige Bockwindmühle aus dem frühen 18. Jahrhundert ein.

Auch nimmt sich der Künstler eher traurigen oder ernsten Themen an. Krieg und Gewalt etwa. „Krieg trifft immer Frauen und Kinder, ich verarbeite diese Eindrücke in den Bildern.“ So könne er mit diesen Thema besser umgehen. Damit knüpft er vielleicht auch etwas unbewusst an die vorangegangene Schau an, in der Bilder inspiriert vom Krieg in Syrien zu sehen waren.

Geplant sei das aber nicht gewesen, meint Pieritz. Er arbeite gern aus dem Bauch heraus. So sei auch die Auswahl der Werke für die Ausstellung eher spontan entstanden. Inspiriert habe ihn auch das Buch „Empört Euch“ des ehemaligen französischen Widerstandskämpfers und UN-Diplomaten Stéphane Hessel.

Dieser kritisierte in seinem 2010 veröffentlichten Essay die politischen Entwicklungen und rief zum politischen Widerstand auf. „Mich beschäftigen solche Diskussionen sehr stark“, sagt Pieritz. So lautet der Titel der Schau nicht zu Unrecht „Zeitgeschehen in Kalkstein gepresst“. Morgen Nachmittag um 17 Uhr wird die Ausstellung für Besucher geöffnet. „Eine Anmeldung für die Veranstaltung ist nicht notwendig, Plätze sind ausreichend vorhanden“, so Cornelia Draeger von der Bibliothek.