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Bildung Auf der Suche nach neuem Wissen

Am 24. Januar ist der Welttag der Bildung. Doch wann gelten wir eigentlich als gebildet?

Von Susanne Christmann 23.01.2021, 00:01

Genthin l Für den einen gilt jemand als gebildet, wenn er oder sie einen bestimmten Schulabschluss erreicht hat. Andere meinen, wirkliche Bildung fange erst mit der Erlangung eines Doktortitels an. Oder aber – ganz modern – mit dem Erreichen und erfolgreichen Beantworten der Millionen-Frage bei Günter Jauchs Quizsendung „Wer wird Millionär?“.

Oft genug wird der Bildungsgrad auch daran festgemacht, wie viele laufende Regalmeter daheim mit Büchern gefüllt sind, die der- oder diejenige natürlich alle gelesen haben muss.

Insofern erfüllt Michael Scholz, Professor für Archivwissenschaften an der Fachhochschule Potsdam, das Klischee des gebildeten Viellesers mehr als genug. Denn seine Frau und er haben so viele Bücher in ihrem Haus in Genthin, dass sie sie schon lange nicht mehr zählen. „Ich werde mal nachmessen“, sagt der Archiv-Professor im Gespräch mit der Volksstimme auf die entsprechende Nachfrage, „wie viele laufende Regalmeter das in etwa sein könnten.“

Was nicht bedeutet, dass Scholz ausschließlich auf das analoge Lesen setzt. Er möge und brauche zwar auch das Haptische beim Lesen von Gedrucktem auf Papier. Aber er erledigt coronabedingt seit März vergangenen Jahres seine Lehrtätigkeit an der Fachhochschule Potsdam von daheim aus, also auf digitalem Wege. Das funktioniere erstaunlich gut. Nur der persönliche informelle Austausch, wenn man sich gegenüberstehe, der fehle ihm nach so vielen Monaten jetzt doch ab und an. Unbestritten ist für Michael Scholz, dass Gebildet-Sein oder auch Gebildet-Werden ohne stetes Lesen – egal ob auf analogem oder digitalem Wege – nicht denkbar ist. Es ist dafür ebenso elementar wie Auswendiglernen-, Rechnen- und Schreiben-Können. Diese Kulturtechniken seien allesamt die Voraussetzungen dafür, dass ein gebildeter Mensch später selbständig „Strukturen erkennen und analysieren und daraus Fragestellungen entwickeln“ könne. Ein gebildeter Mensch beherrsche zudem die kritische Analyse genauso wie er sich nicht scheue, Dinge stetig zu hinterfragen.

Ein ganz wichtiges Bildungskriterium, so der Professor, der seinen Lehrauftrag an der Fachhochschule sehr ernst nimmt, sei „Offenheit für Neues“. Nicht für alles und jeden, denn irgendwann müsse man sich auf seinem Bildungsweg ja spezialisieren. Aber zumindest in „dem Bereich, wo man wirklich gut ist“. Auf diese Weise entstehe eine ungeheure „Vielfalt an Bildungen“ mit den verschiedensten Menschen und ihren Interessen. Das bedeute auch, dass gebildete Menschen im Prinzip ein ganzes Leben lang auf der Suche nach (neuem) Wissen seien. Einfach, weil die Neugier so groß sei und das Streben nach neuen Erkenntnissen auch großen Spaß machen könne.

Was Michael Scholz manchmal bei seinen Studenten vermisst, ist ein gewisser Grad an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit – im Schriftlichen wie im Mündlichen. Denn ein gebildeter Mensch sollte anderen seine Gedanken und Erkenntnisse auch nachvollziehbar darlegen können – entlang des schon oft bemühten „roten Fadens“, also eines leitenden Gedankens. Das schließe geschriebene oder gesagte Sätze ebenso ein wie naturwissenschaftliche Ausführungen in Formel-Sprache. Auch das Interesse an Literatur, Theater, Kunst und Musik gehört für Michael Scholz zu einem rundum gebildeten Menschen dazu.

Der Archiv-Professor, von Hause aus Historiker und gebürtiger Niedersachse, ist mit seiner Frau gezielt nach Sachsen-Anhalt und dann speziell nach Genthin gekommen. Immerhin hat er 1990 seine Dissertation zum Thema „Die Residenz der Erzbischöfe von Magdeburg in Halle in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts“ geschrieben. Die Historien-Erforschung Sachsen-Anhalts und auch des Jerichower Landes gehört zu seinem Hobby.

Professor Scholz bedauert im übrigen sehr, dass in Genthin derzeit keine hauptamtliche Archivarbeit betrieben werde. Große Hochachtung hat er deshalb vor der Arbeit von Antonia Beran und ihren Mitarbeitern im Kreismuseums Jerichower Land, die soweit es ihnen möglich ist, unter nicht gerade optimalen Bedingungen die Archivarbeit in ihr Tun einbeziehen. Wie hat es Quizmaster Günter Jauch so treffend ausgedrückt? „ Wissen wird erst zur Bildung durch die Persönlichkeit eines Menschen. Bildung ist mit Lernen verbunden, das kostet Zeit und Nerven, aber wissen Sie was: Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen“.