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Handwerk Das vergessene Handwerk des Besenmachers in Jerichow

Der Beruf des Besen- und Bürstenbinders ist in unserer Region ausgestorben. Heute übernehmen Maschinen die industrielle Fertigung dieser Reinigungsgeräte. Was geblieben sind: Familiennamen, Verkaufsstände bei Bauernmärkten, aber auch so manch Reisigbesen steht noch im Stall und zeugt von diesem Handwerk.

Von Thomas Skiba 16.05.2021, 18:45
Auf den Höfen und in der Kloster-Domäne Jerichow reinigte man schon vor Jahrhunderten mit solchen Reisigbesen.
Auf den Höfen und in der Kloster-Domäne Jerichow reinigte man schon vor Jahrhunderten mit solchen Reisigbesen. Foto: Thomas Skiba

Jerichow - Wer kennt sie nicht, diese „Hexenbesen“, ein aus Birkenreisig geflochtenes Fege-Utensil. Doch heutzutage bekommen die Leute den Reisigbesen hauptsächlich als Requisit in Theaterstücken zu Gesicht, nur noch selten nutzen insbesondere ältere Zeitgenossen den vollständig aus Holz hergestellten Feger zum Reinigen von Stall und Hof.

Das Gewerbe der Besenbinder hat sich, so heißt es in dem Buch des Autors Ernst Bock „Alte Berufe Niedersachsens“ von 1926, aus einer ursprünglich saisonalen Nebentätigkeit im bäuerlichen Alltag entwickelt. Diese Tätigkeit war auch im Elbe-Havel-Winkel zu Hause.

Die Besenmacherei war ein typisches Handwerk armer Leute, weil es sich jeder aneignen konnte, die Beschaffung der Stiele aus Eschenholz als auch der Birkenreisig fast nichts kostete und mit wenig einfachem Werkzeug ausgeübt werden konnte. So war das Besenmachen auch nie ein Lehrberuf. Es reichte Geschick, dazu das Beil und ein scharfes Messer.

Oft anderen Zünften angeschlossen

Auch gab es keine eigene Zunft, so dass sich Besenbinder häufig anderen Zünften wie den Kammmachern anschlossen. Nachgewiesen wurde diese Praxis in Wien, in Breslau und Dresden gehörten die Besenbinder zu den Siebmachern.

Das Handwerk galt als ein typisches Reisegewerbe, da der größte Teil der Produkte durch Hausierer vertrieben wurden. Als Hausierer werden heute noch von Haus zu Haus ziehende Kleinhändler ohne festen Standort bezeichnet, die ein eigens gewähltes Warensortiment auf eigene Rechnung anbieten. Der Verkauf vor und hinter der Haustür brachte dieser Berufsgruppe umgangssprachlich den Beinamen „Klinkenputzer“ ein.

Märchen ranken sich um das Handwerk

Um einen Besen herzustellen, brauchte der Handwerker einen langen geraden Stiel, der mit einem Messer geglättet und grob zugespitzt wurde. Dazu kamen anfangs Bastfäden, die später dann durch Draht ersetzt werden konnten und zwei Handvoll Birkenreiser. Die Reiser umwickelte der Besenbinder ganz fest mit dem Bast oder Draht und rammte dann den Stiel in das fertige Reisigbündel. Der Besen war einsatzbereit. Um dieses Handwerk oder vielmehr um die Menschen, die Besen banden, rankten sich viele Geschichten.

Manches Sprichwort entwickelte sich daraus und ist bis heute zu hören: Besenbinder gehörten selten zur Dorfgemeinschaft, weil sie sich oft außerhalb menschlicher Siedlungen aufhielten, um Material für ihre Besen zu finden. Grundsätzlich hatte jeder Besenbinder seinen Bezirk, den er mit Waren versorgte. Wenn Konkurrenten auftauchten, kam es manchmal zu Schlägereien. Daher stamme das Sprichwort: „Die schlagen sich wie die Besenbinder.“ Weiterhin fand sich die Bedeutung als auch der besonderer Charakter dieses Berufs in Skulpturen, Märchen wie „Die schöne Katrinelje und Pif Paf Poltrie“, aufgeschrieben von den Gebrüdern Grimm oder in Erzählungen wie der „Der Besenbinder von Rychiswyl“ wieder.

Verwandt mit diesem Handwerk ist die Tätigkeit des Bürstenbinders. Dieser traditionelle Handwerksberuf fasst die Arbeit weiter und der Bürstenbinder stellt Bürsten, Besen und Pinsel her.

Tierhaare und Blütenstände

Bürsten werden aus Schweinsborsten, Ziegen-, Pferde- und Dachshaaren, Reisstroh, Piassava, Stahldraht, verschiedenem Fasermaterial, aus den Blütenständen des Sorghum hergestellt. Die sortierten, gereinigten, wohl auch gefärbten Haare oder Borsten werden auf verschiedene Weise in den aus Holz Knochen, Elfenbein bestehenden Rücken gefügt. Hier werden die durch Aufstoßen auf den Tisch gleich gerichteten Borsten bündelweise am Ende mit Garn festgebunden, in geschmolzenes Pech getaucht, in die Löcher der Rücken gedreht und dann mit der Schere gleich gemacht. So schreibt Meyers Großen Konversationslexikon, Leipzig und Wien 1905-1909, über die Tätigkeit des Bürstenbindens.

Auch wenn der Bürsten- und Pinselmacher ist ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf ist, gehört er ebenfalls zu den ausstrebenden Handwerken.

Der Besenbinder brauchte nicht viel: Holz, Messer und Band reichten.
Der Besenbinder brauchte nicht viel: Holz, Messer und Band reichten.
Repro: Thomas Skiba
Die Bürstenmacher stellen unterschiedliche Bürsten aus Naturborsten, meistens von Tieren und jetzt aus Kunststoffborsten her.
Die Bürstenmacher stellen unterschiedliche Bürsten aus Naturborsten, meistens von Tieren und jetzt aus Kunststoffborsten her.
Foto: Thomas Skiba