1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Von Schiefertafeln, Plumsklo und Brausepulver

Erinnerungen Von Schiefertafeln, Plumsklo und Brausepulver

Eine besondere Schulstunde erlebten Schüler im Schloss Parchen. Autorin Hetti Nagel erzählte über Nachkrigszeit.

Von Mike Fleske 07.05.2016, 07:00

Parchen l Eine besondere Schulstunde präsentierte Autorin Hetti Nagel Schülern der 7. und 8. Klasse der Dürerschule in Parchen im Schloss Parchen. „Solch eine Schulmappe hatten wir damals“, erzählte sie und hielt eine schwere Ledertasche in die Höhe. „An der Seite bammelte damals ein Schwämmchen.“ Denn geschrieben wurde mit einem Griffel auf einer kleinen Schiefertafel.

Es sei eine ganz andere Zeit gewesen, sagt Nagel. Geboren wurde sie 1939. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging sie im Schloss zur Schule. „Das alte Schulgebäude war zu klein geworden.“ Durch die Umsiedlerkinder war ihre Klasse von zunächst zwölf auf zeitweise bis zu 40 Kindern angewachsen. Interessiert blätterten die heutigen Parchener Schüler durch alte Schreibhefte. „Schaut euch mal die gleichmäßige Neigung der Schrift an und wie sehr der Rand eingehalten wurde“, merkte Lehrerin Kirsten Gibtner an. Gemeinsam mit der pädagogischen Mitarbeiterin Iris Runge begleitete sie die Jugendlichen durch die besondere Schulstunde. Streng seien die Lehrer damals gewesen.

Doch Hetti Nagel hatte auch einige humorvolle Erinnerungen parat. „Neben der Schule war damals ein Plumpsklo, da haben wir uns als Heranwachsende eingeschlossen und unsere ersten Casino-Zigaretten geraucht.“ Wirklich bekömmlich seien die aber nicht gewesen. Parchen sei einst mit vielen Geschäften vom Kaufladen über Bäcker und Metzger bis hin zu Gaststätten gesegnet gewesen. „Am Wochenende war in den drei Tanzsälen immer was los, entweder Tanz oder Kino.“ Die Kinovorstellungen seien oft so gut besucht gewesen, dass sich die Zuschauer Stühle von zu Hause mitbringen mussten.

Auch an die umfangreichen Waschtage hatte die 76-Jährige noch lebhafte Erinnerungen. „Heute füllt man die Waschmaschine und die macht alles selber, früher wurde die Wäsche in einem großen Kessel gekocht und am Waschbrett mit Waschpulver sauber gerubbelt.“ Eine Arbeit für einen oder mehrere Tage sei das gewesen.

Die Kinder hätten damals nach dem Krieg kaum Spielsachen gehabt. „Wir haben uns aus Kartoffeln Puppen gebastelt und aus Waldmoos im Garten Mooshütten gebaut“, erzählte Hetti Nagel den staunenden 15-Jährigen. „Die Jungs haben mit einem Stock alte Fahrradfelgen durch die Straßen getrieben.“ Das war auch ein beliebtes Spiel.

Besonders aufregend sei es immer dann gewesen, wenn die Kinder den Eiswagen klingeln hörten. Auch über Kartoffelkäfer-Einsammelaktionen oder Fahrten in der Kutsche nach Genthin berichtete Nagel. Kurios für die heutigen Jugendlichen war auch die Bekleidung. Leibchen habe man getragen, an denen Halter für die Befestigung der Strümpfe angebracht waren. Für die Kinder damals prima: Brausepulver. „Das haben wir damals mit dem feuchten Finger angestippt und in den Mund genommen“, erzählte sie. Schloss-Fördervereins-Chef Heiko Mahrenholz hatte für die Schüler kleine Tütchen mit Brausepulver vorbereitet.

„Damit ihr das auch einmal probieren könnt.“ Heute sind solche Leckereien den Jugendlichen etwas fremd. Wie auch die frühere Zeit. „Ich hätte nicht in der Zeit leben wollen ohne unsere modernen Dinge“, fand Liane aus der 7. Klasse. Auch Mitschüler Adrian befand: „Heute haben wir es schon besser.“ Wer Interesse an den Erinnerungen von Hetti Nagel hat, kann am 20. Mai um 15 das Parchener Schloss besuchen. Dann liest die Autorin aus ihren Büchern „Bockwindmühle“ und „Erinnerungen“.