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Gedenken Grundschüler nicht überfordern

Grundschüler wissen laut einer Studie wenig über die NS-Zeit. Genthiner Lehrer sehen die Studie kritisch.

Von Mike Fleske 25.01.2019, 00:01

Genthin l Zum Holocaust-Gedenktag am Sonntag wird den Opfern der NS-Diktatur gedacht. Auf vielerlei Weise wird Geschichte an diesem Tag in Erinnerung gerufen. Das Wissen über diesen Teil der deutschen Geschichte sollte allgemein in der Gesellschaft präsent sein. Auch bei den Jüngeren. Doch eine Studie des Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München, kam Ende des vergangenen Jahres zu dem Schluss, dass Grundschüler in Deutschland wenig über jüdische Menschen und noch weniger über Roma wissen.

Dass Juden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs verfolgt wurden, konnten die Hälfte der Acht- bis Neunjährigen angeben. Ganz sicher über diesen historischen Fakt ist sich jedoch nur knapp jeder Fünfte (18 Prozent). Bei den Zwölf- bis 13-Jährigen konnten fast alle (94 Prozent) Angaben machen und 58 Prozent waren sich sicher, dass Juden im Zweiten Weltkrieg verfolgt wurden.

Schlecht sei es der Studie zufolge um das Wissen über Roma bestellt. Den Begriff Roma hat die Hälfte der Sechs- bis 13-Jährigen noch nie gehört. Beim Thema Muslime gibt es hingegen ein altersgemäßes Wissen. Die IZI-Leiterin Maya Götz nannte die Ergebnisse brisant, weil die Grundschulzeit als entscheidende Phase für die Ausprägung von Vorurteilen gelte. Je mehr Vorurteile Kinder am Ende ihrer Kindheit entwickelt hätten, desto hartnäckiger hielten sich diese.

Doch so dramatisch sehen Genthiner Lehrer die Situation nicht. „Die in der Studie erwähnten Defizite von Grundschulkindern im Geschichtsbewusstsein berücksichtigen meiner Auffassung nach nicht, den tatsächlich zu behandelnden Unterrichtsstoff im Grundschulalter“, meint etwa Ingo Doßmann, Schulleiter der Grundschule Stadtmitte.

„In den Fachlehrplänen geht es in diesem Stadium nicht um Judenverfolgung oder Auswirkungen des Nationalsozialismus.“ Im Ethikunterricht spiele das Vermitteln von Wissen über verschiedene Religionen eine Rolle und dazu gehöre auch das Judentum. „Dabei wird auf die Verfolgung der Juden in der Geschichte eingegangen“, erläutert Doßmann, räumt aber ein: „Wissen im eigentlichen Sinn um in einer Studie messbar zu sein, wird nicht vermittelt.“

Stadtmitte-Lehrer Frank Grunert pflichtet bei: „Der Fachlehrplan ist in diesen Punkten sehr allgemein gehalten.“ Der Unterricht nehme Bezug auf die Lebenswirklichkeit der Kinder. Etwa welche Geschichte hat die Stadt Genthin in ihrer Entwicklung genommen oder wie lernten Kinder früher in der Schule? Auch die Folgen der Zerstörung der Stadt Magdeburg im Zweiten Weltkrieg seien Themen, die aufgegriffen werden.

 Das es in der Grundschule Versäumnisse in der Geschichtsvermittlung gäbe, sieht auch Ute Kliem, Schulleiterin der Grundschule Diesterweg, nicht. Der Themenbereich werde ebenfalls gestreift und durchaus angesprochen aber der Lehrplan sehe eine Beschäftigung mit der Zeit des Dritten Reiches nicht in einem großen Umfang vor. Diese Inhalte würden in den weiterführenden Schulen sehr eingehend behandelt und um unterrichtsbegleitende Maßnahmen erweitert.

Lutz Nitz, Genthiner Lehrer in Brandenburg, meint: „Es ist richtig, dass der Lehrplan vorsieht, die NS-Zeit und die Verfolgung von Menschen in dieser Zeit, in höheren Klassen zu behandeln.“ In der 8. und 9. Klasse hätten die Schüler dafür ein ausgeprägteres Verständnis und können besser mit den Informationen umgehen. Das junge Menschen anfälliger für extremistische und populistische Einflüsse werden, wenn sie sich erst nach der Grundschule mit der NS-Zeit beschäftigen, sieht Nitz nicht. Dabei spiele das gesamte Umfeld eine Rolle.

„Jüngere Schüler sind mit bestimmten Geschichtsstoff überfordert, nicht umsonst wird ein Besuch etwa einer KZ-Gedenkstätte mit jüngeren Schülern nicht empfohlen.“ Eine Empfehlung, die auch in Genthin angenommen wird. An Gedenkveranstaltungen nahmen in den vergangenen Jahren Vertreter weiterführender Schulen mit ihren Schülern teil. Auch weil diese sich im Unterricht mit dem Thema beschäftigten. Das Gedenken am Holocaust-Tag findet am Sonntag, 27. Januar, auf dem jüdischen Friedhof an der Genthiner Friedhofstraße statt. Die Stadt Genthin lädt gemeinsam mit den Kirchengemeinden ab 11.30 Uhr alle Interessierten ein.