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Gefahrenverordnung Heftige Diskussionen um Lärm und Rauch

Dispute in der zweiten Sitzung des Jerichower Stadtrates in diesem Jahr um Lärm, Rauch und die Auflagen der 5. Eindämmungsverordnung.

Von Thomas Skiba 14.05.2020, 23:01

Jerichow l Jetzt steht es fest: Jerichow bekommt eine neue Gefahrenabwehrverordnung und die neue wird fast die alte sein – denn die Änderungen sind marginal.

So sollte in der Neufassung die Abendruhe von 21 Uhr auf 20 Uhr vorverlegt werden – gestrichen. Die Größe von Feuerschalen „oder ähnlichem“ sollte begrenzt werden – gestrichen. Einem neuen Passus stimmten die Stadträte zu: Haustiere sind so zu halten, dass sie niemanden belästigen.

Der Abstimmung zur Gefahrenabwehrverordnung ging eine leidenschaftliche Diskussion voraus. Birgit Albrecht von der AfD-Fraktion sagte: „Wenn ein Städter in ein ländliches Gebiet zieht, dann entscheidet er sich bewusst dafür hier zu wohnen - mit allem, was dazu gehört.“ Dort kann es „stinken, laut sein und landwirtschaftliche Geräte fahren auch am Wochenende“, und außerdem müsse hier an die Bürger gedacht werden, die fünf, sechs Tage die Woche arbeiten gehen. „Die kommen erst abends oder am Wochenende dazu, ihr Grundstück in Ordnung zu bringen“, argumentierte die Stadträtin. Für sie sei die Überarbeitung „zu scharf“ und sie lehne die Neufassung ab.

Stadtrat Torsten Schmidt warf ein, dass die Ortschaftsräte in der alten Verordnung zu einer vernünftigen Mischlösung gekommen sind. „Und die wollen wir jetzt wieder einschränken?“ wirft er emotional in den Raum. Viele Einwohner, so Schmidt, hatten sich damals über die vorgegebene Satzung des Landkreises empört und „so können wir stolz sein, im Rahmen des Möglichen, die Schärfe herausgenommen zu haben.“ Gerade die Einschränkungen rund um die Feuerschalen-Problematik gehe an der Lebenswirklichkeit in den Dörfern vorbei. „Warum lassen wir es nicht so, wie es ist?“ fasst er kurz und bündig zusammen.

Bürgermeister Harald Bothe wies darauf hin, dass es gesetzliche Vorgaben gebe, die umzusetzen seien. „Die Mittagsruhe und die Nachtruhe sei gesetzlich geregelt, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren“, so Bothe weiter. Hier seien wir ländlicher Raum und das sollte in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Fakt sei, so der Stadtchef: „Wir müssen über eine neue Gefahrenabwehrverordnung abstimmen.“ Den Hintergrund erklärt Ordnungsamtschefin Anja Schünicke: „Diese Verordnung läuft automatisch nach zehn Jahren aus und aus diesem Grund muss sie wieder durch den Stadtrat beschlossen werden.“ Nach so langer Zeit verändere sich vieles im Leben der Bürger, so dass eine Überarbeitung Sinne mache. Schünicke hatte die Federführung bei der Überarbeitung der Verordnung. Mit den neuen Passagen reagiere sie auch auf Beschwerden von Bürgern, etwa durch Rauchbelästigung oder Lärm. Besonders erwähnte sie hier den Feierlärm, der von den Gaststätten ausgehe und bei dem sich manch Bürger gestört fühle. „Das ist der Anlass für Änderungen, und die stehen jetzt drin“, so die Ordnungsamtsleiterin.

Das sorgte für Kopfschütteln. Stadträtin Birgit Albrecht dazu: „Wir sollten froh sein, dass Ortschaften noch Gaststätten haben.“ Wenn dort mal gefeiert werde, gehöre das einfach mit dazu. Anja Schünicke betont: „Ruhe ist für viele Menschen ein kostbares Gut.“

Als dann noch Ralf Braunschweig ansprach, „dass es mittlerweile Unsitte sei, mit Bauschutt Löcher in den Wegen aufzufüllen“, und forderte, den Punkt mit in die Verordnung aufzunehmen, zog Bürgermeister Bothe die Reißleine. „Ich stelle einen Antrag zur Geschäftsordnung.“ Er begründete sein Eingreifen in die ausufernde Diskussion damit, dass in dem Erlass des Innenministeriums zur Geschäftsordnung „Stadtratssitzungen nicht unnötig in die Länge zu ziehen sind“. Über die drei strittigen Punkte – Abendruhe, offenes Feuer im Freien, Belästigung durch Tiere – sollte einzeln abgestimmt und die Verordnung dann dahingehend abgeändert werden.

Nach einem Ja zum Antrag Bothes stimmten die Stadträte über die besagten Punkte zur Gefahrenordnung ab und zu guter Letzt wurde die Gefahrenabwehrverordnung insgesamt beschlossen. In der vorgeschalteten Einwohnerfragestunde kamen ebenfalls handfeste Probleme zur Sprache. Rosemarie Merländer und Rainer Lucke, beide Gastwirte brannte es unter den Nägeln: „Wann bekommen wir zu erfahren, ob und unter welchen Auflagen wir am 18. Mai öffnen dürfen oder nicht.“ Die Medien geben die Beschlüsse der Landesregierung schneller bekannt, als es die Verwaltung umsetzen kann, so der Bürgermeister, doch von Seiten der Verwaltung kann erst gehandelt werden, wenn ein schriftlicher Erlass vorliege.

Derzeit gebe es einen Entwurf, in dem von zwei Öffnungsterminen gesprochen werde, „den ersten mit wahrscheinlich strengeren Auflagen als den späteren“, und der werde in den nächsten Tagen vom Land beschlossen. „Das wird öffentlich bekannt gegeben“, so Bothe und auch wenn es eher in den Nachrichten zu hören ist, so zählt doch der Startschuss der Verwaltung, wie Bothe sagt. Auch „Müller ehrenhalber“ Joachim Müller wollte wissen: „Darf ich die Mühle zu Pfingstmontag öffnen?“ Sollten dafür Konzepte nötig sein, wäre er bereit, diese mit Gastronom Rainer Lucke zu entwickeln. Hier wies Bothe zwar darauf hin, dass zunächst kleinere Veranstaltungen wieder möglich seien, doch sollten die Lucke und Müller die nächsten Tage abwarten.

Stadträtin Birgit Albrecht wollte vom Bürgermeister wissen ob Verordnungen und Bußgeld-Kataloge „auch mal hinterfragt werden“. Sie wies auf das Verhalten beim Betreten von Spielplätzen hin und merkte an, dass sie an der Realität vorbeigehen. Bürgermeister Bothe macht klar: „Das ist ein Erlass – Punkt.“ Er stehe mit seinen sieben Amtskollegen im ständigen Kontakt und gemeinsam geben sie dem Landkreis Anregungen, Wirklichkeit und Theorie besser abzustimmen. Er appelliert hier an das Verständnis der Bürger: „Doch das Land legt fest und wir können nicht prüfen oder gar ändern – das überschreitet unsere Kompetenzen.“

Im Lauf der Sitzung bestätigten die Stadträte auch den Jahresabschluss 2018 und den Entwurf des Integrierten Gemeindlichen Entwicklungskonzeptes (IGEK). Die erste Sitzung seit Eintreten der Corona-Pandemie war öffentlich und erfolgte unter der Einhaltung der Hygienebestimmungen und Abstandsregeln. Unter anderem mussten sich alle Teilnehmer in Listen einschreiben und wurden über das Verhalten bei Infektion mit dem Virus belehrt.