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Geld Als mit Gutscheinen bezahlt wurde

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Phasen, in denen Kommunen Notgeld heraus gaben. Auch im heutigen Genthin.

Von Stefan Menzel 20.11.2020, 04:00

Genthin l Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland geprägt von den Folgen des Ersten Weltkriegs, politischen Umbrüchen und wirtschaftlichen Notlagen. Das machte sich auch bei der Währung bemerkbar.

„Geld regiert die Welt“ weiß der Volksmund zu berichten, auch in Notzeiten, so dass man auf die Idee verfällt, sein eigenes Geld zu drucken. Welche Gründe gab es nun in Genthin und im Kreis Jerichow II für die Ausgabe von Notgeld durch die Kommune? Es waren die gleichen Gründe wie im ganzen Wilhelminischen Kaiserreich der Jahre 1914 bis 1918. Als Folge des Ersten Weltkrieges vollzog sich eine ständig zunehmende Geldentwertung. Diese Geldentwertung war verbunden mit einem überall im Deutschen Reich auftretenden Kleingeldmangel. Besonders im Jahr 1916 wurde die Lage katastrophal, als durch das Deutsche Reich die Prägung der Kupfer- und Kupfer-Nickel-Münzen eingestellt wurde, denn die Metalle wurden für die Kriegsrüstungsproduktion benötigt. Um wegen des fehlenden Kleingeldes nicht den Zahlungsverkehr zu beeinträchtigen, erfolgte am 15. Oktober 1916 ein Erlass, der zur Behebung des eingetretenen Kleingeldmangels die Emission von Notgeld erlaubte.

Als in Genthin und Kreis Jerichow II die Pfennig-Stücken verschwanden und nicht wenige Bürger auch ihr Kleingeld horteten (durch die Inflation war ihr Materialwert höher als der Nominalwert), entschloss sich die Stadt Genthin am 6. September 1917 die ersten Kleingeldgutscheine im Wert von 50 Pfennig herauszugeben.

Dieser „echte“ Kleingeldersatzschein, wie auch die folgenden Scheine gleicher Wertstufe, bildete die Phase der Kleingeldersatzscheine. Nachauflagen des 50 Pfennigscheines folgten am 1. Mai 1918 und 1919, die Gesamtauflage betrug 59 000 Stück. Die Farben der jeweiligen Auflagen waren grau, blau, braun. Auf der Vorderseite standen die Wertangabe und die Unterschrift, auf der Rückseite das Stadtwappensiegel und die Nummer des Scheines. Auch die Stadt Jerichow folgte erstmals am 5. März 1920 mit 50 Pfennig und am 1. Januar 1921 mit Notgeldscheinen von 25 Pfennig. Beide Scheine hatten einen hellblauen Unterdruck.

Auf der Vorderseite verwendete man eine große Wasserfläche mit einem Eisberg. Als weitere Gemeinde beschloss am 1. April 1921 Parey/Elbe auch eigene Notgeldscheine herauszubringen. Es sind vier 50 Pfennigscheine in vier Serien mit dem Bildnis von Bismarck und dem Schloss Parey auf der Vorderseite erschienen, die Rückseite hatte man mit einem Spruch versehen. Der Druck der Scheine erfolgte bei der Firma Wackernagel in Magdeburg. Unterdessen gab die Stadt Genthin eine Notgeldserie mit „Stadtansichten“ des Marktplatzes, der Schiffswerft, der Brücke am Wasserturm etc. in den Werten von 25 Pfennige bis fünf Mark am 1. Juli 1921 heraus, die vom Erfurter Grafiker Alfred Hanf entworfen und bei der Firma Thie aus Genthin im Zweifarben-Offsetdruck gefertigt wurden. Auf der Vorderseite ist das Genthiner Stadtwappen, die goldgekrönte Gottesmutter im goldenen Gewand mit dem Kind auf dem rechten Arm abgebildet, auf der Rückseite die oben genannten Motive der Stadtansichten. Nach Herausgabe der Notgeldserie, zog die Stadt Genthin die alten Scheine der Jahre 1917-1919 aus dem Verkehr. Hierzu gab der Magistrat im Genthiner Wochenblatt vom 26. März 1921 bekannt: „Das von der Stadt Genthin unterm 1. Mai 1918 und unterm 1. Mai 1919 in den Verkehr gebrachte Notgeld (20 000 Gutscheine á 50 Pfg.) soll in der Zeit vom 1. April 1921 bis 1. Juli 1921 bei den städtischen Kassen (Kämmereikasse und Stadtsparkasse) eingelöst und dann das zurückgegebene Notgeld nicht wieder in den Verkehr gebracht werden. Die zum Ablauf der Ausschlussfrist (1. Juli 1921) nicht eingelösten Notgeldscheine werden als dann von den städtischen Kassen nicht mehr angenommen und verlieren ihre Gültigkeit.“ Doch offenbar entfaltete die Herausgabe von Notgeld nicht die vollständige Wirkung.

Im Genthiner Wochenblatt vom 2. August 1921 forderte der Magistrat der Stadt Genthin die Bürger auf, kein Geld zu hamstern. „Der trotz stärkster Steigerung der Ausprägungen von 5-, 10- und 50-Pfennigstücken immer noch in Erscheinung tretenden Mangel an Kleinmünzen lässt sich nur so erklären, dass die Münzen von einem Teile der Bevölkerung in erheblichem Umfange dem Verkehr entzogen und zurückgezogen werden. Es ist an der Zeit, die völlige Zwecklosigkeit ja Schädlichkeit eines solchen Verfahrens gebührend zu kennzeichnen. Die Zwecklosigkeit des Hamsterns von Kleingeld und die Schädlichkeit sowohl für den einzelnen wie für die Gesamtheit steht außer Zweifel und es sollten in der ernsten Finanzlage, in der sich das Reich befindet, keine Werte verschwendet werden. Jeder sollte an seinem Teile dazu beitragen …“