1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Ausstellung zur Justizgeschichte

EIL

Geschichte Ausstellung zur Justizgeschichte

„Justiz im Nationalsozialismus“ heßt die Ausstellung die im Gymnasium gezeigt wird. Dabei wird auch Genthiner Geschichte behandelt.

Von Mike Fleske 22.12.2016, 10:00

Genthin l „Wir haben eine Reihe von Originaldokumenten, Zeitungsbeiträgen und Zeugenaussagen“, präsentierte Antonia Beran, Leiterin des Kreismuseums den Besuchern die Sammlung. „Zudem gibt es hier im Haus die Ausstellung, die 2014 aus Anlass des 75. Jahrestages mit dem Förderverein Stadtgeschichte zusammengestellt wurde“, fügte Beran hinzu und führte die Besucher durch die Treppenaufgänge, in denen die Tafeln zu sehen sind.

Die Besucher sind Daniel Bohse, Leiter der Gedenkstätte Moritzplatz in Magdeburg, und Jerome Kageler aus Genthin, der in der Gedenkstätte ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Im Kreismuseum recherchierte er kürzlich zu den Umständen des Genthiner Eisenbahnunglücks. „Ich glaube, dass junge Leute in meinem Alter sehr wenig über das Unglück wissen“, sagt Kageler. „Ich möchte aber gern dazu beitragen, dass dieser Teil der Lokalgeschichte nicht in Vergessenheit gerät“, erläutert der 20-Jährige seine Motivation, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Mit seiner Projektarbeit taucht er tief in die Historie seiner Heimat ein.

In der Nacht zum 22. Dezember 1939 starben bei der Katastrophe vermutlich mehr als 200 Menschen, mehr als 450 Zugreisende überlebten mit zum Teil schweren Verletzungen. Auf einen auf dem Genthiner Bahnhof haltenden D-Zug, der nach Köln unterwegs war, fuhr mit 100 Stundenkilometern ein weiterer D-Zug auf, wobei die Waggons zum Teil ineinander geschoben wurden. Es ist bis heute die größte Bahnkatastrophe Deutschlands. Wie dieses Unglück die Gerichte beschäftigte, wie sie die Katastrophe aufarbeiteten, ist Teil der Recherche von Kageler und Bohse. „Opfer der Katastrophe sind bestohlen worden“, erläutert Daniel Bohse. „Später hat es Gerichtsverhandlungen mit Todesurteilen gegen Personen gegeben, denen Leichenfledderei vorgeworfen wurde.“ Wie sind die Prozesse geführt worden, wer wurde angeklagt?

Am umfangreichsten sind die Dokumentationen zum Prozess gegen das Personal der Lok 01 158 des D180 und den Stellwerkwärter von Genthin-Ost. Heizer und Stellwerkwärter wurden freigesprochen. Sie bestätigten die alleinige Schuld des angeklagten Lokführers. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. „Es gibt in diesem Prozess einige Widersprüche, viele Dinge wie eine ungünstige Fahrplangestaltung, unzweckmäßige Streckenbelegung wurden nicht betrachtet“, meint Bohse. Auch, ob die fehlende elektro-induktive Anlage, die einen Zwangshalt hätte auslösen können, das Unglück hätte verhindern können, wurde nicht betrachtet. „Dazu kommt, dass der Prozess unter den Gesichtspunkten der NS-Gerichtsbarkeit geführt wurde.“ Bohse und Kageler haben in den vergangenen Wochen in Genthiner Archiven geforscht und sind nicht nur von der Stadt Genthin und dem Kreismuseum unterstützt worden. Auch aus den Quellen von Heimatforschern und dem Archiv der Genthiner Feuerwehr konnten sie Material für ihre Arbeit erhalten.

Die Ergebnisse der Vor-Ort-Recherche in Genthin werden die Ausstellung „Justiz im Nationalsozialismus: Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ ergänzen. Die Wanderausstellung der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt wird seit 2011 gezeigt. Sie dokumentiert die Rolle der deutschen Justiz in den Jahren 1933 bis 1945. Die Ausstellung wird ständig mit auf den Ausstellungsort bezogenen Tafeln überarbeitet. Die Schau zeigt Biografien von Tätern und Opfern und auch, wie sich die Rechtssprechung in dieser Zeit verändert hat. Ab dem 23. Januar wird die Ausstellung mit den Ergebnissen, die Jerome Kageler zusammengetragen hat, in der Aula des Hauses I des Bismarck-Gymnasiums öffentlich zu sehen sein. „Wir werden die Ausstellung in unserem Haus mit dem Unterricht verbinden“, kündigt Schulleiter Volker Schütte an.

Diese inhaltliche Anbindung in den Fächern Geschichte, Deutsch, Sozialkunde, Ethik, Religion und Psychologie wird ergänzt durch eine Buchlesung, eine Filmvorführung und zwei Projekttage. „Auch die Einbindung des Gymnasiums in das Unrechtssystem des dritten Reiches wird thematisiert“, sagt Schütte. Die Ausstellung birgt eine weitere Besonderheit, denn Schüler werden dafür ausgebildet, Gäste durch die Schau zu führen. Sie werden durch Fachleute instruiert und dadurch befähigt, Informationen zu den Tafeln zu geben. Ein durchaus interessanter Ansatz: Schüler beschäftigen sich mit der Geschichte und besonders auch mit der Geschichte ihrer Heimatregion. Volker Schütte bringt es auf diese Formel: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“

Die Ausstellung ist vom 23. Januar bis zum 3. Februar sowie vom 13. Februar bis zum 24. Februar im Gymnasium zu sehen. Geöffnet ist sie Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr. Für die Ausstellung werden nach Vereinbarung Führungen angeboten. Bei Interesse sind Anmeldungen im Sekretariat des Gymnasiums unter Tel. 039 33/ 23 18 oder per E-Mail: kontakt@gym-bismarck-bildung-lsa.de möglich.