1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Genthiner Chefarzt in bewegten Zeiten

Geschichte Genthiner Chefarzt in bewegten Zeiten

Einige Relikte der Vergangeheit halten in Genthin die Erinnerung an Dr. Adolf Usbeck immer noch wach. Er war Chefarzt im Krankenhaus.

Von Simone Pötschke 08.09.2020, 08:00

Genthin l Er gehört zweifellos zu jenen Menschen, die Genthin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitgeprägt haben: Dr. Adolf Usbeck. Sein Leben und Wirken als Chefarzt des Genthiner Krankenhauses wird heute vor allem mit dem Eisenbahnunglück vom 22. Dezember 1939 in Verbindung gebracht.

Darauf allein beschränkt sich sein Platz in der Heimatgeschichtsschreibung allerdings nicht. Das ist vorallem dem ehemaligen Museumsleiter Klaus Börner zu verdanken, der vor 20 Jahren eine komplette Biografie Usbecks publiziert hat und dazu noch Verwandte und Zeitzeugen befragen konnte.

Usbeck war ein Zeitgenosse solch bekannter Männer wie Bürgermeister Struß, Hugo Magnus, Konrad Henkel und Edlef Köppen, deren Lebenswege auf ganz unterschiedliche Weise mit Genthin verbunden sind.

Börner zeichnet von Usbeck das Bild eines aufopferungsvoll tätigen Mediziners, der sich in Genthin und bei der Landbevölkerung großen Respekt erworben hat. Überlieferungen zufolge sollen ihm Standesunterschiede wesensfremd gewesen sein. Das begründet seinen Ruf als „beliebten Volksarzt“ bis in die Gegenwart.

Hineingeboren 1879 in eine Pfarrer-Familie wächst er in Parchen auf, besucht das Genthiner Progymnasium und legt in Burg sein Abitur ab. Es folgt ein Medizinstudium in Halle/Saale. Als Assistenzarzt war er in Magdeburg und Braunschweig tätig, bevor er 1911 eine Arztpraxis am Genthiner Markt, in der heutigen Brandenburgerstraße 34, öffnet.

Adolf Usbeck hat als Arzt in den folgenden Jahren ein gutes Auskommen in Genthin. 1928 erwirbt er die ehemalige Direktorenvilla, das heutige Wohnheim der Elbe-Havel-Werkstätten Ecke Hagen-Straße/ Magdeburger Straße. Bis zu seinem Lebensende 1951 lebt und arbeitet Usbeck als niedergelassener Mediziner in der Villa.

Die 1920er Jahre waren privat wie beruflich bewegend für Usbeck: Er wird im Johanniter-Krankenhaus Chefarzt der chirurgischen Abteilung. Ein genaues Datum gibt es dafür nicht. Fest steht jedoch, dass er als Chefarzt seine Sprechstunden in seiner Praxis weiterführte.

Bekannt aus dieser Zeit ist, dass Usbeck im Gegensatz zu seiner Frau Hanna keine Fahrerlaubnis besaß. Bei Hausbesuchen über Land saß deshalb stets seine Ehefrau hinter dem Lenkrad. Hanna Usbeck, das ist verbürgt, hat unermütlich mit dem Privat-Pkw bei dem Eisenbahnunglück Verletzte in das Krankenhaus gefahren, weil für Transporte nur ein einziger Krankenwagen mit zwei Liegen zur Verfügung stand. Nach ihrem Tod im Jahr 1946 machte sich Usbeck mit dem Rad auf den Weg zu seinen Patienten, nach wie vor auch in die Dörfer.

Quellen, die „einen politischen Usbeck“ belegen, gibt es nicht. Im Ersten Weltkrieg diente er als Militärarzt und wurde 1941 zum Oberstabsarzt befördert. Belegt ist sein Engagement um zahlreiche Erweiterungen des Genthiner Krankenhauses, darunter fällt unter anderem 1934/35 der Bau eines neuen Isolierhauses, das sogenannte G-Haus, das zu DDR-Zeiten als Innere Abteilung genutzt wurde.

Was Adolf Usbeck bewog, noch kurz vor Kriegsende in die NSDAP einzutreten, bleibt bis auf den heutigen Tag ungeklärt und lässt deshalb Raum für Vermutungen. Musste sich Usbeck schützen oder wurde er zum Parteieintritt gedrängt? Adolf Usbecks jüngerer Bruder Ernst, Pfarrer in Parchen, war als Vertreter der Bekennenden Kirche ein Gegner der Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus. Er wurde 1936 angezeigt und saß sechs Wochen im Gefängnis.

Wie und mit welchen Konsequenzen Adolf Usbeck das Kiegsende erlebt hat, ist nicht überliefert. Verbürgt ist allerdings, dass in der Nachkriegszeit das russische Militär und auch die Familie des kommunistischen Landrates Albrecht zu den Patienten Usbecks gehörten. Börner deutet in seiner Publikation an, dass zu Usbecks Patienten-Kreis auch Frauen gehörten, die durch die Kriegswirren „in Bedrängnis“ geraten waren, ohne allerdings näher darauf einzugehen. Wahrscheinlich ist, dass es sich dabei um Vergewaltigungsopfer handelte. Die Umstände, warum Usbeck im Januar 1946 seinen Chefarzt-Posten im Krankenhaus von einen Tag auf den anderen räumen musste, sind bis heute nicht geklärt. Klaus Börner kommt bei seinen Recherchen zu dem Schluss, dass ein Bekanntwerden seiner Ablösung nicht gewollt war. Bis kurz vor seinem Tod im Oktober 1950 praktizierte Usbeck noch in seiner Praxis, der „Usbeck-Villa“.