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Historie Tagebuch führt Amerikanerin nach Brettin

Die junge Amerikanerin Margaret Breidenbaugh forscht zur Historie in der Region Genthin.

Von Simone Pötschke 17.01.2017, 00:01

Genthin/Brettin l Vor fünf Jahren kaufte die Amerikanerin Margaret Breidenbaugh im Internet ein deutsches Tagebuch aus dem 19. Jahrhundert. Sie spricht Deutsch, studiert Geschichte und wollte eigentlich nur üben, die deutsche Schreibschrift zu lesen. Die Aufzeichnungen berichteten über eine Reise von Berlin nach Paris im Jahr 1855. Maria, die Autorin des Reiseberichts, war mit ihrem Vater und ihren beiden Cousinen Frieda und Johanna unterwegs. Eigentlich wäre Maria wohl lieber in Berlin geblieben, in der Nähe des jungen Leutnants Maximilian.

Die Geschichte begann Magaret zu interessieren. Sie wollte mehr über das Schicksal von Maria erfahren. Doch nirgends hat Maria ihren vollständigen Namen aufgeschrieben. Ein wichtiger Hinweis fand sich in dem Namen Maximilian von Kracht. Dank Adelslexikon und Kirchenbuchkopien fügte sich nach und nach Mosaikstein an Mosaikstein, bis sich Margaret nach fast fünf Jahren sicher war. Bei der Autorin des Tagebuchs muss es sich um Maria von Bonin handeln.

Sie wurde 1834 in Brettin geboren und war die älteste Tochter von Gustav von Bonin und Maria, geborene Keller. 1856 durfte sie endlich ihren Maximilian heiraten. Doch das junge Glück währte nur kurz. Maria ereilte ein Schicksal, das im 19. Jahrhundert Frauen aller sozialen Schichten treffen konnte. Sie starb kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes im Dezember 1858 am so genannten Kindbettfieber. Das Kind, eine Tochter, starb ebenfalls schon im ersten Lebensjahr. Maximilian von Kracht heiratete 1862 erneut.

Marias jüngerer Bruder Giesbert (1841-1913) erbte später das Rittergut Brettin von seinem Vater. Bekannt geworden ist Giesberts jüngste Tochter, die Schriftstellerin Dr. jur. Elsa von Bonin (1882-1965). Magaret Breidenbaugh will sich weiter mit der Lebensgeschichte der Familie von Bonin beschäftigen und mit diesem Hintergrund den Begriff „Heimat“ in Preußen im 19. Jahrhundert erforschen. Die Miami-Universität in Oxford, Ohio, unterstützt das Forschungsvorhaben der jungen Assistentin.

Deshalb konnte sie Anfang Januar nach Sachsen-Anhalt reisen, um Maria von Bonin und ihrer Familie näher zu kommen. In Wernigerode und Magdeburg fand sie viele Dokumente, vor allem über Marias Vater Gustav von Bonin (1797-1878), der viele Jahre in der Regierung der preußischen Provinz Sachsen wirkte, unter anderem von 1845 bis 1850 als Oberpräsident und Regierungspräsident in Magdeburg.

Auch im Kreismuseum, wo Vieles über die Familien von Karl Friedrich Pieschel und Gustav von Bonin archiviert ist, wurde sie fündig. Vier Tage verbrachte die junge Amerikanerin in der ehemaligen Heimat von Maria von Bonin und war überrascht, noch so viele originale Schauplätze vorzufinden. Der Großvater von Maria war der Magdeburger Kaufmann Karl Friedrich Pieschel (1779-1855), der seit 1808 in Altenplathow mit seiner Zichorienmühle und dem Schrotturm die erste industrielle Ansiedlung der Region betrieb.

Er errichtete für sich ein Gutshaus und einen Landschaftspark in englischem Stil, den heutigen Volkspark. Für seinen Stiefsohn Wilhelm Keller (1813-1885) ließ er die Villa an der Jerichower Straße erbauen. Nach der Heirat seiner Stieftochter Marie Keller mit dem Königlichen Regierungsrat Gustav von Bonin erwarb Karl Friedrich Pieschel das Rittergut in Brettin. Hier wuchs Maria mit ihren vier Geschwistern auf, bis ihre Mutter 1849 verstarb.

Die Geschwister wurden danach von ihrer Großmutter Rosine von Pieschel in Altenplathow bzw. von einer Tante, der Schwester ihres Vaters, betreut. Margaret Breidenbaugh besichtigte nun in den vergangenen Tagen Altenplathow und Brettin und entdeckte Vieles, was Maria schon zu ihren Lebzeiten kannte. Auch den Genthiner Bahnhof gab es bereits.

Von hier fuhr die Familie nach Berlin zu ihrer Stadtwohnung in der Leipziger Straße. Für Margaret war es ein wunderbares Gefühl, die gleichen Wege wie Maria zu gehen. Der Höhepunkt war für sie die Besichtigung des Brettiner Friedhofs, wo sich, vom Schnee verdeckt, der Grabstein für Maria von Kracht, geb. von Bonin, befindet. Margaret Breidenbaugh ist inzwischen auf dem Rückweg in die USA. Sie will weiter forschen und ihre Ergebnisse sowie das Tagebuch, das sie transkribiert und ins Englische übersetzt hat, veröffentlichen.