1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Start für den Verkauf der „Filetstücke“

Immobilien Start für den Verkauf der „Filetstücke“

Die Stadt Genthin veräußert mit der Lindenstraße 2 und der ehemalige Touristinformation an der Bahnhofstraße „Filetstücke“.

Von Simone Pötschke 02.07.2016, 01:01

Genthin l Die Stadtkasse ist leer - Grund für die Kommune, sich von betriebskostenschluckenden Immobilien zu trennen. Der Zeitpunkt ist keine Überraschung. Der Stadtrat segnete den Verkauf der beiden Immobilien, die exponiertesten von insgesamt 19 Gebäuden, im Zuge der Haushaltskonsolidierung bereits vor Monaten ab. Nun wird es ernst. So beginnt heute mit der Veröffentlichung im Immobilienteil der „Volksstimme“ das Verkaufsverfahren für verschiedene Grundstücke der Stadt Genthin, darunter die Lindenstraße 2 und die Bahnhofstraße 8.

Gleichzeitig sind auf der Internetseiten der Stadt Genthin unter „Unsere Stadt – bauen+wohnen“ die Objektbeschreibungen und die Ausschreibungsbedingungen nachzulesen. Interessenten hätten die Gelegenheit, bis einschließlich 11. August ein Gebot abzugeben, hieß es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Mit dem Verkauf der Bahnhofstraße 8 wird an geschichtsträchtiger Stelle ein neues Kapitel geschrieben. Die Stadt wird sich von einer städtebildprägenden Immobilie trennen, die sich nahezu 90 Jahre in ihrem Besitz befand.

In der inzwischen freigezogenen Touristinformation hätte sich mit den Jahren ein besonderer Sanierungsstau entwickelt, sagte Genthins Bürgermeister Thomas Barz vor einigen Monaten, als die ersten Verkaufsüberlegungen entwickelt und öffentlich wurden. Bauherr und erster Nutzer dieses repräsentativen Hauses war der ehemalige Genthiner Bürgermeister Wilhelm Struß (1878 bis 1933), der von 1919 bis 1933 im Amt war. Zunächst stimmten die Abgeordneten der Stadt dem Projekt zu, kritisierten das ihrer Meinung nach zu üppige Projekt kurz vor der Fertigstellung jedoch.

Am 29. März 1933 wurde Struß vom Regierungspräsident seines Amtes enthoben. Offizieller Grund: Unregelmäßigkeiten in der Kämmerei. Wilhelm Struß wartete das Ergebnis einer Untersuchung nicht ab, er wählte noch am gleichen Tag den Freitod, indem er sich mit dem Jagdgewehr erschoss. Die Umstände und Hintergründe seines Selbstmordes sind bis heute unklar. Struß‘ Familie, die Witwe und seine fünf Kinder, wurden von den Nazis nur wenige Tage später aus der Stadt vertrieben. In den 1960er Jahren beherbergte Bürgermeister Struß‘ einstige Dienstwohnung den Albert-Schweizer-Klub, eine gehobene gastronomische Adresse. Nach der Wende zog hier die Genthiner Touristinformation ein.

Sie zog mittlerweile in die Bibliothek um. Das Haus an der Bahnhofstraße gab unter anderem der Schülernachhilfe, aber auch dem Verein „Kleine Sternchen“ ein Zuhause. Bevor die Lindenstraße 2 nun Verkauf steht, mussten auch die Mitarbeiter des Fachbereichs Bauverwaltung/Stadtentwicklung und des Sachgebiets Immobilienwirtschaft umziehen. Sie haben bereits vor einem Jahr ihr neues Domizil im Rathaus am Marktplatz gefunden. Das historische städtische Archiv, das ebenfalls in der Lindenstraße 2 untergebracht war, wurde in der Stadt- und Kreisbibliothek angesiedelt, während die Verwaltungsunterlagen, wie inzwischen ohnehin praktiziert, vom Landkreis aufbewahrt werden.