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Instrumental Tiefe Töne und hohes Gezwitscher

Die Oboe ist Instrument des Jahres. Doch in Genthin erklingt das Blasinstrument eher selten. Im Gegensatz zur Klarinette.

Von Kristin Schulze 02.02.2017, 07:00

Genthin l Genthin scheint eine oboenfreie Zone zu sein. Weder Blasorchester noch Musikexpress haben eine in ihren Reihen. Die oboenähnliche Klarinette erfreut sich deutlich größerer Beliebtheit. Was sie der Oboe voraus hat, versuchen wir mit Hilfe der Experten vom Genthiner Blasorchester herauszufinden: Kathrin Richter und Angela Dietert spielen das Holzblasinstrument seit etwa 40 Jahren. Diese beiden müssen es wissen. Was macht sie aus, die Klarinette? „Sie ist sehr vielseitig“, sagt Kathrin Richter. „Tiefe Töne sind für sie ebenso wenig ein Problem wie ganz hohes Gezwitscher.“ Angela Dietert ergänzt: „Sie klingt fröhlich, eignet sich hervorragend für Nebenmelodien.“ Zu hören ist das beispielsweise, wenn das Ensemble „Ein Bett im Kornfeld“ oder „Über den Wolken“ spielt. „Die Klarinette gehört einfach in jedes Orchester“, sagt Kathrin Richter. „Sie macht beim Schlagerhitmix, beim militärischen Marsch und bei konzertanten Stücken eine gute Figur.“

Die Oboe dagegen ist ein sehr klassisches Instrument für das Sinfonieorchester, in der böhmischen Blasmusik spielt sie keine Rolle. Bei beiden Instrumenten wird der Ton durch Schwingung erzeugt.

Töne erzeugen Kathrin Richter und Angela Dietert, seit sie denken können. Während Richter von Anfang an Klarinette spielte, fing für Dietert alles mit dem Saxophon an. „Dann gab es aber Klarinettenmangel im Orchester“, erinnert sie sich. So kam sie zur Klarinette und blieb ihr treu. „Man startete mit einem Theorieblock, dann gab es ein Jahr Einzelunterricht. Viermal pro Woche hieß es üben, üben, üben“, so Richter. Dietert ergänzt: „Nach einem Jahr war man reif fürs Orchester oder die musikalische Laufbahn war eben beendet.“ Sie nennt es „gesunde Auslese“.

Die erste Probe mit dem ganzen Orchester, damals das des Pionierhauses, ist beiden noch gut in Erinnerung. „Das war toll, als zehnjähriges Mädchen bei den Großen mitspielen zu dürfen“, sagt Richter und erzählt vom abwechslungsreichen Vereinsleben mit Auftritten und Ausflügen.

Was muss man mitbringen, wenn man die Klarinette beherrschen will? „Zehn Finger“, sagt Angela Dietert trocken. Außerdem empfiehlt sie ganz viel Geduld und Kritikfähigkeit. „Das klang jetzt aber richtig sch...“, höre man gerade am Anfang oft, das müsse man aber wegstecken können. Das gelte übrigens nicht nur für die Klarinette, sondern für alle Instrumente.

Auch ein Ausflug in die Geschichte des Holzblasinstruments ist interessant. Die meisten Instrumente sind Weiterentwicklungen sehr alter Vorgänger. Flöten aus Knochen wurden beispielsweise schon in der Steinzeit genutzt. Die Klarinette allerdings ist eine Ausnahme. Sie wurde um 1700 neu erfunden. Johann Christoph Denner gelang es, ein Instrument zu bauen, mit dem man nicht nur Naturtöne, sondern auch die oberen Töne spielen konnte. Letztere entstehen durch das Überblasen. Zwar waren die ersten Klarinetten sehr einfach, doch sie verfügten bereits über den enormen Tonumfang, der das Instrument ausmacht. Er ist größer als bei jeder Oboe oder Trompete.

Der Klarinette sagt man außerdem einen angenehmeren und vielseitigeren Klang nach als der bis zu ihrer Erfindung führenden Oboe. Deshalb eignet sich die Klarinette sehr gut für längere Solostellen. Vivaldi schreib 1740 drei Concerti grossi, Händel komponierte 1748 eine Ouvertüre, wo er sie einsetzte.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Klarinettensysteme. Etabliert haben sich das deutsche und das Boehm-System. „Sie unterscheiden sich durch die Griffweise“, erklärt Kathrin Richter.

Ihr Instrument ist nach dem böhmischen System gebaut, das von Kollegin Dietert dagegen nach dem deutschen. „Wenn wir die Klarinetten vertauschen, haben wir ein Problem“, sagt Angela Dietert.

Allgemein hätten Blasmusiker es nicht so gern, wenn jemand ihr Instrument benutzt. Verständlich, im Gegensatz zur Gitarre nimmt man es eben in den Mund. „Das ist auch der Grund, warum es mit mir und der Oboe noch nicht geklappt hat“, erzählt Kathrin Richter. „Man kann sich nicht einfach irgendwo eine ausleihen. Aber reizen würde es mich schon, Oboe zu erlernen.“