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Karneval Tucheimer Sportler mögen es närrisch

Seit 30 Jahren gibt es in Tucheim den Sportlerfasching. In diesem Jahr hat nun eine Pandemie die Karnevalisten gestoppt.

Von Mike Fleske 14.02.2021, 07:00

Tucheim l Wer in der Region „Sportlerfasching“ sagt, hat unwillkürlich die Mitglieder des SV Traktor Tucheim im Sinn. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sie ihre ganz eigene Form des Karnevals zu einer regelrechten „Marke“ im Jerichower Land ausgebaut. Was einst mit einigen unermüdlichen Karnevalsfreunden angefangen hat, ist heute ein Spektakel für den ganzen Ort – und sogar darüber hinaus. Denn in jedem Jahr haben die Tucheimer unter den Besuchern auch einige Gäste von „auswärts“. Die kommen mittlerweile etwa aus Ziesar, Hohenseeden, Gladau, Karow, Kade, Schlagenthin oder Jerichow.

„Da wird es schon mal eng in der Gaststätte „Zum Fiener“ oder man muss einige Interessenten auf die Warteliste vertrösten“, berichtet Anke Raneberg vom SV Traktor Tucheim. Früh im Jahr machen sich die Sportler Gedanken über das bevorstehende Programm. „Die Proben beginnen meistens im Oktober oder spätestens im November, wobei jede Gruppe für sich probt.“ Ein Vorteil sei es zudem, dass man mit Marina Wöhling nicht nur eine aktive Mitstreiterin in den eigenen Reihen hat sondern, dass sie als Chefin des örtlichen Jugendclubs auch Räume für die Proben zur Verfügung stellen kann. „Mit ihren Jugendlichen unterstützt sie uns tatkräftig beim Gestalten der Requisiten.“

Doch wenn es jeweils zum Jahresende noch fast ein wenig gemütlich ist, wird es spätestens drei Wochen vor dem Fasching akut. Dann beginnt die heiße Phase. Zwei Wochen vor dem ersten Faschingsabend ist dann der Kartenvorverkauf, wo die Karten sprichwörtlich wie heiße Semmeln weggehen. „Die Verantwortlichen der einzelnen Programmpunkte setzen sich noch einmal zusammen und besprechen die einzelnen Punkte und die Reihenfolge wird festgelegt.“

Und das ist manchmal kniffliger als gedacht, da einige Mitwirkende in verschiedenen Programmpunkten zu sehen sind und sich von einem auf die andere Rolle blitzschnell mit neuen Kostümen verwandeln müssen. Denn schließlich besteht der Tucheimer Fasching aus zahlreichen Sketchen, Liedern, Moderationen und oft sportlichen Tanzeinlagen. Wer eben noch Pirouetten gedreht und in die Luft gesprungen ist, wird danach nicht gleich die Puste für eine humorvolle Wortakrobatik haben. Das sind die Momente des bewährten Moderatoren-Duos Claudia Hamann (Schröder) und Marco Schröder. Sie müssen diese Pausen überbrücken und das Publikum weiter bei Laune halten. „Diesen Part haben die beiden vor ein paar Jahren von Gislinde Schröder und Bernd Lingk übernommen, die zuvor durch das Programm des Faschings geführt haben.“

Im Hintergrund haben Bernd Eichholz und Christopher Oge die Technik und Requisiten vorbereitet. Die Tucheimer Frauensportgruppe ist für die Herrichtung des Saals zuständig. DJ Marcus O‘Brien ist für den guten Ton zuständig. Eine Besonderheit: Im Programm tragen junge und ältere Mitglieder ihren Teil zum Gelingen bei. Das sei etwas, was ihr immer wieder auffalle, findet auch Rebecca Flügge. Die 26-Jährige ist selbst von klein auf in den Tucheimer Fasching hineingewachsen.

Im Rückblick meint Anke Raneberg: „Über die Jahre hatten wir viele schöne Programmpunkte, etwa die Kampfgruppe, die sich beim 20-jährigen Jubiläum feierlich vom Publikum verabschiedete.“ Einige Jahre habe die Dance-Band mit dem Frontmann Andreas Handke für stürmischen Beifall gesorgt.

Die Männertanzgruppe habe mit dem Auftritt zu „Moni“ einen echten Knaller geschaffen. Der Männerchor kann mit Titeln wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ bis zu Rammsteins Liedern ein unglaubliches Repertoire aufweisen. Die Frauensportgruppe habe eine Bandbreite von Persiflagen auf „Bauer sucht Frau“ bis hin zur satirischen Berufswahl. „Wobei mein schönster Auftritt immer noch der Pflaumenbaum war.“ Dabei zeigten sich die Mitwirkenden mit ihren Köpfen als Früchte eines Pflaumenbaums.

Seit einigen Jahren stellen Andreas Hermes, Katrin Rawolle und Christin Hermes mit dem Kinder- und dem Jugendtanz Programmpunkte auf die Beine, die durch ihre pfiffigen Ideen begeistern. „Fester Bestandteil in unserem Programm ist unser Stammtisch, wo der ein oder andere Tucheimer schon mal auf die Schippe genommen wird.“ Und manchmal veralbern sich die Mitwirkenden auch gegenseitig. Sehr lustig: André Kleinhans bot seiner Sketch-Partnerin Claudia Hamann während eines Auftritts einen kleinen Schnaps an und hatte heimlich den Schnaps gegen Zitronensaft ausgetauscht. „Ganz tapfer hielt Claudia die Fassung und niemand im Publikum bekam es mit.“ Aber Claudia Hamann hat Humor. Spontan fallen ihr, Andrea Diers und Anke Raneberg die Vorbereitungen der Sportlerriege ein. Einmal sei in einem Sketch die Tucheimer Gaststätte zum Austragungsort der olympischen Winterspiele im Eiskunstlauf auserkoren worden.

„Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten erfolgte der Auftritt mit Inline-Skatern, bei den Proben haben wir Tränen gelacht, als Lutz Langbein den „Doppelten Lutz“ und Axel Banse den „Dreifachen Axel“ einstudiert haben.“ Lustig sei es auch gewesen, als die Aerobic-Szenen des Videoclips „Call on me“ in Tucheim nachgestellt worden seien.

Seit einigen Jahren ist eine eigenwillige Märchenerzählung ein fester Bestandteil im Programm. Da wurde der böse Wolf schon einmal mit dem Trecker angefahren, bevor er versuchen durfte, dem Rotkäppchen nachzustellen. Seit 2006 ist die Gruppe Musical unter Leitung von André Kleinhans und Christina Britzke beim Fasching mit dabei.

Angefangen hat es mit einer kleinen Choreografie zu „We will rock you“ und steigerte sich von Jahr zu Jahr. „André Kleinhans verzweifelte schon das ein oder andere Mal, wenn er versuchte uns die Choreografie einzubläuen.“ Da zeigte sich schon mal der unerbittliche Sportler: „Spannung halten, Lachen nicht vergessen und wo ist euer Playback…“

Zum Auftritt habe aber meistens alles geklappt. Und so entstanden im Laufe der Jahre einige sehr ansprechende Musicaldarbietungen von „Grease“ über „Mama Mia“, „Schuh des Manitu“, „Falco“, „Die Schöne und das Biest“ bis zu „Tanz der Vampire“. Seit Jahren erhalte auch der Kinderfasching einen großen Zuspruch. Hier hat sich Andrea Hermes unentbehrlich gemacht und lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen. So gab es bereits bayerische Auftritte mit stilechtem Bändertanz. Und natürlich werden auch Eltern und Großeltern, mal augenzwinkernd, mal frech aufs Korn genommen.

„Im vergangenen Jahr haben wir den 30. Tucheimer Sportlerfasching gefeiert, ein Jahrestag, auf den wir uns sehr gefreut hatten und froh waren, dass wir ihn begehen konnten.“ Denn bereits im Februar 2020 kündigte sich die Ausbreitung des Corona-Virus an. Die Infektionszahlen stiegen, wenngleich das Jerichower Land zu diesem Zeitpunkt noch unberührt war. Gerade so, kurz vor dem ersten Lockdown im März konnten die Tucheimer Faschingsfreunde ihre Veranstaltungen begehen. Denn das sind immer noch zwei im Jahr.

Und natürlich wurden auch im vergangenen Jahr zahlreiche Orden verliehen. Dabei werden gern auch die unermüdlichen Helfer im Hintergrund geehrt, die sonst wenig in der Veranstaltung zu sehen sind. So wurde etwa Irmhild Jagdmann von Elfis Nähstübchen geehrt, die viele Kostüme für die Auftritte geschneidert hat oder Thomas und Sylvia Osterburg, die sich für Video und Fotos verantwortlich zeichnen. „Jeder Teilnehmer, der zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen hat, wird zu gegebener Zeit geehrt.“

Auch für die ordnungsgemäße Buchführung und Bestellung der Orden. Armin Wöhling ist dafür zuständig und hat also bereits einen Orden für die Orden bekommen. Denn bei rund 70 Teilnehmern in einer Veranstaltung, hat er keine leichte Aufgabe und muss aufpassen, den Überblick nicht zu verlieren.

Aus dem vergangenen Jahr ist noch etwas geblieben, was Wöhling sich hat einfallen lassen. Jeder Mitwirkende, der von Anfang an dabei war, erhielt einen Pokal, mit der Inschrift „Danke für 30 Jahre“. Bernd Linkg, Gislinde Schröder, Udo Liepe und Hartmut Brietzke wurde diese Ehre genauso zuteil, wie Gastwirt Hans-Jürgen Rawolle, da dieser von Anfang an die Gaststätte zur Verfügung stellte.

Und vielleicht ist es im nächsten Jahr wieder so weit, meinen die Sportler: „Die Tucheimer Faschingsfreunde hoffen auf 2022 und das wir dann unser Publikum mit lustigen Auftritten begeistern können.“