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Klassentreffen Erinnerungen an eine Schulzeit im Krieg

Vier Damen des Genthiner Einschulungsjahrganges 1936 kamen 80 Jahre nach ihrem ersten Schultag zu einem Treffen zusammen.

Von Mike Fleske 11.10.2016, 07:00

Genthin l In einer kleinen, aber gemütlichen Runde trafen sich in der vergangenen Woche vier Damen, die 1936 in Genthin eingeschult wurden. „Wir wären eigentlich noch ein paar Teilnehmer mehr, aber es gab kurz vor unserem Treffen zwei Absagen“, berichtet Organisatorin Karola Krüger. Gemeinsam erinnerten sich die Damen im Cafè Nicole an Zeiten, die weit weniger gemütlich waren. Viel habe es damals zur Einschulung nicht gegeben. Die Schultüten seien weit weniger prall gefüllt gewesen als heute. Die Zeit war auch aus anderen Gründen beschwerlich. Denn nur drei Jahre hatten die Kinder damals in Friedenszeiten Unterricht.

Dann kam der Zweite Weltkrieg mit all seinen Verwerfungen über die damals kaum Zehnjährigen. „Ich war gar nicht von Anfang an in eurer Klasse“, erinnerte sich Hannelore Hünecke. Eigentlich stammte sie aus Bad Harzburg und durch die Kriegswirren, kam sie über Braunschweig nach Parchen. „Dort wohnte meine Großmutter und wir wurden dorthin evakuiert.“ Während des Krieges habe es oft Fliegeralarm gegeben. „Dann beendete der Lehrer den Unterricht und wir mussten nach Hause laufen“, erinnert sich Marlita Rethfeld. Auch nahezu gespenstische Szenen aus den Kriegstagen sind im Gedächtnis geblieben.

„Manchmal sahen wir zu, wie die Flieger kamen, dann haben wir uns die Ohren zugehalten und gezählt, wie viele über uns hinwegflogen“, erzählt Karola Krüger. Im Krieg ist mal ein amerikanisches Flugzeug abgestürzt, die Soldaten sind auf den Genthiner Marktplatz getrieben worden und die Hausfrauen haben mit ihren Handfegern nach ihnen geschlagen, so aufgehetzt waren die Menschen damals.“ Auch an ihre Schulzeit hatten die Seniorinnen noch einige Erinnerungen. „Wir sind immer mit dem Fahrrad zur Schule gefahren.“ Selbst im bitterkalten Winter 1941/42.

„Da hatten wir Eiszapfen an unseren Mänteln und haben die Sachen in der Klasse zum Trocknen auf den Ofen gelegt.“ Aber die Räume waren in dieser Zeit schlecht beheizt, die Kinder froren im Unterricht. Die Mitschüler hätten geschimpft: „Wir haben doch kaum Wärme im Raum und ihr klaut mit euren Sachen jetzt auch noch den Rest.“ Mit dem Kriegsende war auch die Schulzeit unterbrochen. „Im Mai 1945 kamen die Russen“, erinnern sich die Frauen. Erst 1946 bekamen die damaligen Schülerinnen ihren Abschluss. Gut 60 Mitschüler seien es damals in zwei Klassen gewesen. Doch trotz aller Verwerfungen dieser Zeit begannen alle jungen Frauen eine Berufsausbildung und arbeiteten viele Jahrzehnte.

„Ich war bis zur Rente als Kindergärtnerin beschäftigt“, gibt Karola Krüger ein Beispiel. Andere Mitschüler hätten eine Lehre gemacht oder studiert. Einige hätten auch in der Landwirtschaft gearbeitet. So seien alle trotz der schwierigen Voraussetzungen in den Beruf gekommen und dort erfolgreich gewesen. „Wir hatten kein leichtes, aber doch ein schönes Leben“, findet Karola Krüger. Allerdings waren Klassentreffen lange Jahre nicht möglich. Die ehemaligen Mitschüler waren nach dem Krieg in alle Himmelsrichtungen verstreut. Die deutsch-deutsche Teilung verhinderte ein Wiedersehen. Erst 1990 kam es zur ersten Begegnung der früheren Genthiner Schüler.

„Da waren wir zum ersten Mal in einer großen Runde versammelt“, erinnern sich die Seniorinnen. Bereits 1987 habe man sich in einem kleineren Kreis das erste Mal wiedergesehen. Zu dieser Zeit hätten sich noch eine ganze Reihe früherer Mitschüler eingefunden. Damals seien alle um die 60 Jahre alt gewesen, einige standen noch im Beruf, andere waren bereits in Rente. Heute leben viele frühere Mitschüler nicht mehr oder könnten nicht mehr reisen. „Wir, die wir in Genthin und der Umgebung wohnen, wollen uns aber wiedertreffen“, sagt Gisela Frankowiak im Namen des Quartetts. „Schließlich haben wir uns noch immer viel zu erzählen.“