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Klostergarten Ein Ort der Pflanzenmagie und Heilkunde

In der Klosteranlage Jerichow gibt es Spannendes zur Pflanzen- und Heilmittelkunde. Warum werden die Klostergärten heute wieder anziehend?

Von Thomas Skiba 22.03.2020, 04:00

Jerichow l Streift man mit Manuela Pelloth durch das weiträumige Areal der Klosteranlage Jerichow, zieht es die Gärtnerin gleich zu ihrem Arbeitsplatz, dem Klostergarten. Hier fühlt sie sich „zu Hause“ und kann ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Wer so für seinen Beruf brennt, hat auch jede Menge zu erzählen – zu alten Gemüsesorten, Kräuterkunde und ein wenig Pflanzenmagie. „Pflanzen im Garten kommen immer zu einem – achten Sie mal darauf“, sagt Pelloth.

Das stellten schon die Mönche fest, die erste Kräuterkundlerin, Ernährungsexpertin und Volksheilige, Hildegard von Bingen (1098 – 1179), brachte diese Beobachtungen mit dem Kräuterkundebuch „Causae et Curae“ auf das Pergament. Im Klostergarten wartet die Gärtnerin jedoch nicht, bis Schachtelhalm, Kapuzinerkresse oder Basilikum von selbst sprießten, vielmehr entscheidet sie, was in dem Garten gedeihen soll. Rund 200 Kräuter- und Gemüsesorten und dazu seltene Obstsorten auf der Obstwiese hütet sie hier.

Der Klostergarten wird in drei Teilbereiche untergliedert, die sich durch die Art und Weise des Anbaus und Pflanzennutzung unterscheiden.

Geht man durch den lebendigen Türsteig, einer zum Rundbogen gewachsenen Hainbuche, glaubt man sich in einer anderen Welt. Aus Weiden- und Haselnuss-Ruten geflochtene Hochbeete machen neugierig, noch mehr die unbekannten Pflanzen, die aus ihnen wachsen.

Hier, in dem ersten Abschnitt findet man Flaschenkürbis mit grünem und rotblättrigem Mangold, bunte Mohrrüben neben Pastinaken und übermannshohem Dill in Eintracht miteinander. Kartoffeln, Tomaten oder Mais entdecken die Besucher hier nicht – diese Pflanzen gelangten erst mit der Entdeckung Amerikas, 1492, nach Europa und spielten dann in den Klostergärten keine Rolle mehr.

Die Hochbeete, sagt Pelloth, seien Glanzstück der Anlage: 21 Beete mit etwa 50 verschiedenen Gemüsearten wurzeln in den erdigen Quadraten. Die Einfassungen der Beete sind nach historischen Vorbildern errichtet, hierzu verarbeiteten die Mitarbeiter des Klosters ortstypischen Materialien wie Backstein, Haselnuss und Weide in traditioneller Handwerkskunst.

Dieser Teil des Klostergartens enthält die pflegeintensiven und anspruchsvollen Gemüsearten, sowie die empfindlichen Würzpflanzen. „Nur, dass die Beete früher nicht so hoch waren.“, erklärt Pelloth. Doch um wärmeliebende Pflanzen anzubauen, passte man die Hochbeete so an, dass durch die Verrottung des organischen Materials wie Reisig, Holz und Pferdemist Wärme entsteht – ähnlich wie bei der Kompostierung. Dadurch kann auch das sogenannte Klimaoptimum simuliert werden, so nennt man die Warmzeit im Mittelalter zwischen 950 bis 1250 n. Chr.

Zur Einordnung: Damals war es so warm dass man Weinberge sogar an der Ostseeküste angelegte. Für die leidenschaftliche Gärtnerin ist auch der Blick auf den Garten insgesamt und auf die Pflanzen im Einzelnen ein wichtiger Aspekt. Dazu gehöre, so sagt sie, dass sie die Gemüsepflanzen nicht sofort mit ihrer Reife ernte, sondern stehenlasse. „Dann sehen die Besucher, wie schön viele Gemüsepflanzen blühen.“ Wo sonst, wenn nicht hier darf Kohl, Zwiebel oder Mangold zwei Jahre stehen, denn diese überwintern und blühen erst im darauffolgenden Jahr.

Das zweite Teilstück entdeckt der Besucher er hinter dem Pumpenhaus. Ein modellhaft angelegter Feldfruchtgarten stellt eine Assoziation zur mittelalterlichen Feldwirtschaft dar. Auf ihnen werden größere Mengen anspruchsloserer Kräuter für die spätere Verarbeitung zu klostereigenen Produkten angebaut.

An ihnen kann man auch sehen, weist Pelloth hin, wie sich die Pflanzenwelt mit dem Eingriff des Menschen verändert habe. „Mit jeder Auflichtung des Waldes und Einsähen von unterschiedlichen Getreidearten, wie Einkorn, Roggen oder Buchweizen, verschwanden Kräuter“, erklärt Pelloth und merkt auf, „dafür konnten andere, wie Beifuß, Kamille oder Liebstöckel Fuß fassen.“ Alte Getreidearten wie Emmer und Einkorn wachsen hier, genauso wie Hirse und Linsen.

Anbau von Färberpflanzen Im Färbergarten, dem dritten Bereich des bunten Refugiums, wird eine Auswahl an Färbepflanzen im hinteren Bereich des Nutzgartens ausgestellt. Der Färberwaid wurde einst in großen Flächen angebaut und durch ihn wurde das Indigoblau gewonnen. Dieses Blau war die vorherrschende Farbe des Mittelalters und demnach kam den Färbepflanzen eine hohe wirtschaftliche, ja alltägliche Bedeutung zu. Er wurde bis zu viermal im Jahr geerntet, getrocknet, in der Waidmühle gemahlen, in faustgroße Ballen geformt und auf den Markt gebracht. Die Färber versetzten den Waid mit Wasser und Urin – dadurch gewann man die blaue Farbe, die sich auf Grund seines Holzschutz-Effektes gern zum Streichen von Türen, Holzbalken und Innenräumen genommen wurde.

Der Garten mit Hoch- und Flachbeeten wurde im Jahr 2002 angelegt. Das Projekt auf die Fahne schrieben sich Ivette Grafe und Marion Rose, damals noch Studentinnen. Da sie über keinerlei Quellen aus der Zeit verfügten, als das Kloster noch einen durch Mönche gepflegten Garten besaß, versuchten sie, sich an Hand der wenigen schriftlichen wie bildlichen Überlieferungen zu orientieren und rekonstruierten den neuen Klostergarten daran.

Als Achse und Verbindung zwischen den unterschiedlichen Gartenabschnitten fungiert das alte Pumpen- und Heizhaus. In die Architektur des Gartens mit einbezogen, nutzt Pflanzen-Oberhaupt Pelloth die Räume für das Trocknen und Lagern von Kräutern, Hacke und Pflanzstock. Wie ein kleines Museum wirkt der Raum. Duftende Säckchen hängen überall, kleine Behälter mit den Samen alter Gemüsesorten zieren eine alte Küche aus Großmutters Zeiten. Auch Töpfe mit allerhand Kräuterpflanzen stehen bereit und können für eine kleine Spende mitgenommen werdean. Auf dem alten Schornstein des Pumpenhauses nistet jedes Jahr ein Storchenpaar und lässt sich vom Trubel hier unten nicht stören, auch nicht von den Besuchern des Klostergarten-Cafés im vorderen Teil des Gebäudes.

Der Klostergarten steht jedoch nicht nur Besuchern offen, auch Schulklassen können hier staunen und lernen, was für Gemüse früher in den Kochtopf kam oder selbst Kräuterbutter oder Quark mit Schnittlauch anrühren. Manuela Pelloth freut sich jedes Mal darauf, wie sie sagt: „Im letzten Jahr hatten wir hier über 1000 Kinder in verschiedenen Projekten betreut und in diesem Jahr werden es bestimmt mehr.“ Denn ein Aushängeschild nicht nur des Klostergartens sei Kinderfreundlichkeit. Der Klostergarten kann täglich von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden, von November bis März von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet pro Person 6 Euro.