1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Ein Abend voller Erinnerungen

EIL

Krankenhaus Ein Abend voller Erinnerungen

Mehr als 250 Mitarbeiter des Genthiner Johanniter-Krankenhauses kamen im Stadtkulturhaus zusammen.

Von Mike Fleske 10.11.2017, 00:01

Genthin l Es war ein fröhlicher und dennoch würdevoller Abend im Stadtkulturhaus. Frühere Mitarbeiter des ehemaligen Genthiner Krankenhauses trafen sich bei einer ganz besonderen Veranstaltung. „Es war uns eine Herzensangelegenheit, diesen Abend für die Mitarbeiter zu organisieren“, machte Sabine Krause deutlich. Sie fungierte als Sprecherin eines achtköpfigen Organisationsteams, deren Mitglieder gemeinsam mit weiteren Helfern mit viel Engagement das Treffen umgesetzt hatten.

„Wir waren zunächst von etwa 80 Teilnehmern ausgegangen, aber nach und nach kamen immer mehr Anmeldungen zusammen, bis wir bei mehr als 250 Interessierten landeten“, erzählte Anke Papsin vom Organisationsteam. Den wachsenden Umfang des Abends nahmen die Verantwortlichen des Johanniter Krankenhauses Stendal zum Anlass, die Veranstaltung finanziell zu unterstützen.

Es gab viele herzliche Wiedersehensmomente. Aus allen Bereichen des früheren Krankenhauses waren Mitarbeiter vertreten. Ärzte, Krankenschwestern, Physiotherapie, Haustechnik, Küchenmitarbeitern, Stationshilfen bis hin zu Rettungssanitätern. Immer wieder gab es kräftiges Händeschütteln, ein großes Wiedersehens-Hallo und kurze Umarmungen.

Es waren berührende, emotionale Begegnungen, bei denen die früheren Anstellungen nebensächlich waren. „Einige der Teilnehmer haben sich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen“, meinte Pfarrerin Thea Frerichs. Sie war lange als Seelsorgerin im Genthiner Krankenhaus tätig und richtete einige Worte an die Anwesenden. Ihre Ansprache stellte Frerichs unter das Bibelwort „Jegliches hat seine Zeit“ und ließ die Geschichte des Genthiner Krankenhauses Revue passieren, eine Geschichte, die vor fast genau 150 Jahren ihren Anfang nahm. Frerichs streifte bemerkenswerte Ereignisse, aber vor allem erinnerte die Pfarrerin an die Menschen, die mit dem Krankenhaus verbunden waren.

Etwa an Lisbeth Peters, Oberin der im Krankenhaus tätigen Diakonissen. Sie hatte ein Herz für die jungen Krankenschwestern. „Lasst doch die Kinder feiern“, habe sie oft gesagt. Schwester Charlotte Rahneberg habe weit mehr als 4000 Kinder auf die Welt geholt. Brigitte Nauendorf, zur Wendezeit Ausbildungsschwester, ist vielen noch in Erinnerung. In den 90er Jahren machte sich Dr. Roland Jahn einen Namen im Bereich der Prothetik und der Schlüssellochchirurgie. Dr. Hans-Christoph Treichel, Chefarzt der Inneren Medizin, setzte Maßstäbe auf dem Gebiet der Diabetes und durfte sich auch in das Goldene Buch der Stadt eintragen.

An den Tischen wurden die Erinnerungen weiter gesponnen. Viele erinnerten sich noch an die Zeit, als im Krankenhaus mit Kohle geheizt wurde und die Arbeit in der Wäscherei echte Knochenarbeit war. Lebhaft erinnerten sich besonders die Älteren an die sogenannte „Villa Grunzheim“, der Name kam von den Schweinen, die in dem Gebäude gehalten wurden.

Im Obergeschoss gab es kleine Zimmer für die Schwersternschülerinnen. „Dort habe ich während meiner Ausbildung gewohnt“, erinnerte sich Gisela Barthel (damals Flügge). Es seien schwere Lehrjahre gewesen, streng seien die Vorgesetzten gewesen. „Aber ich habe die Grundlagen für mein ganzes Berufsleben bekommen.“ Schwester Dorothea Graumann, die letzte der Genthiner Diakonissen, erinnerte sich an den Umgang mit den Kranken: „Das war sehr persönlich, die Stationsschwester ging jeden Abend durch die Zimmer und wünschte jedem Patienten eine gute Nacht.“

In der Krankenbetreuung spielten auch die sogenannten Grünen Damen eine wichtige Rolle. „Wir waren die, die immer ein wenig mehr Zeit hatten, bei denen sich die Patienten auch mal das Herz ausschütten konnten und die kleine Gänge erledigten“, sagte Eleonore Sternberg. Eine schöne Arbeit sei es gewesen.

Aber auch die Mitarbeiter untereinander mussten gut miteinander auskommen. „Das Krankenhaus war sehr klein, man musste einfach vernünftig miteinander umgehen“, sagt Dr. Dietrich Dworschak, der einst die Anästhiesie aufbaute und die Intensivstation einrichtete. Dr. Hans-Gideon Kückelhaus, acht Jahre bis 2013 Chefarzt der Allgemein- und Unfallchirurgie, erinnert sich an eine „sehr schöne Zeit im Genthiner Krankenhaus.“

Jedoch zeichnete sich während seiner Amtszeit ab, dass der Weiterbetrieb nicht mehr dauerhaft möglich sei. „Mit dem Fortschreiten der Bautätigkeiten in Stendal war die Entwicklung abzusehen“, bedauert er.“

Neurologin Evelyn Paulsen ist ebenfalls traurig über das Ende des Krankenhauses. „Ich habe meine Praxis in unmittelbarer Nähe und bin als Fachärztin oft im Krankenhaus hinzugezogen worden, ich empfand die Zusammenarbeit mit den Klinik-Ärzten immer als sehr angenehm.“

Einen Standesdünkel habe es nicht gegeben. „Heute Abend erst recht nicht“, befand Dr. Eva-Maria Rohmann, Fachärztin für Innere Medizin und bis 1997 im Genthiner Krankenhaus tätig. Sie übte leichte Kritik: „Es hat nicht alles seine Zeit, das Krankenhaus hätte auch weiter bestehen können.“ Für sie gerieten die Patienten, die nun längere Wege in Kauf nehmen müssten, aus dem Blick. Dennoch lobte sie das Engagement der Organisatorinnen, die Idee des Treffens und gemeinsamen Erinnerns.

Viel dazu beigetragen hat Hartmut Rodius, der alte Fotos, Texte und Zeitungsausschnitte zusammentrug, die vom Organisationsteam unter anderem zu einer Dia-Show verarbeitet wurden.

Er ist mit einem Kollegen der letzte noch tätige Mitarbeiter im Genthiner Krankenhaus. „Für mich ist es emotional sehr aufwühlend, wir sind gerade dabei, die Räume auszuräumen und die Dinge nach Stendal zu überführen.“ Bald werde das Krankenhaus leer sein. Doch die Geschichte lebt weiter. In Chroniken, Erinnerungen und mit den Mitarbeitern, die vielleicht irgendwann wieder zusammenkommen. Bei vielen ist der Wunsch nach einem erneuten Treffen geweckt.