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Natura 2000 Hilferuf der Derbener Werft nach Berlin

Das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 bewegt weiter die Gemüter der Schiffswerft Barthel in Derben.

Von Frank Bürger 31.08.2018, 12:32

Derben l Anita Hempel und Christa Schmette betreuen mit dem zehnköpfigen Heimatverein Derben das Schiffermuseum. Wie ein Blick in die Historie des Ortes zeigt: Die Schifffahrt prägt den Ort im Gebiet der Einheitsgemeinde Elbe-Parey. Im Ausstellungsraum sind auch Tafeln zu den prägenden Werften des Ortes zu sehen.

Eine davon ist die Schiffswerft Barthel. Sie ist direkt über den derzeitigen Grenzverlauf mit Natura 2000 konfrontiert. Denn die Anlage, an der die Schiffe ins Wasser gelassen werden, führe durch das Schutzgebiet. Deshalb würden die über 37 Mitarbeiter der Werft um ihre Arbeitsplätze bangen.

Der Werftbesitzer bezeichnete das Naturschutzvorhaben schon längere Zeit als „menschenverachtend“. Barthel konfrontierte vor Kurzem Ministerpräsident Reiner Haseloff persönlich damit, der auf Einladung des Landtagsabgeordneten Detlef Radke (CDU) Genthin besuchte. Aus dieser Begegnung heraus kam es nun zu einer weiteren Gesprächsrunde auf der Werft, die von Thomas Barz, dem Beigeordneten des Landrates Steffen Burchhardt, moderiert wurde.

Mit am Tisch auch Bürgermeisterin Nicole Golz, welche die Sorgen der Werft teilt. Auch für viele Angler sei Natura 2000 ein großes Problem. Bis zum 10. September liegen die aktuellen Verordnungsdokumente und Karten während den allgemeinen Sprechzeiten für alle in der Gemeindeverwaltung aus. Das öffentliche Beteiligungsverfahren fand in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr statt. Doch nicht abgeschlossene Abstimmungen fehlten bei der ersten Auslegung. Zudem gab es Regelungsergänzungen im Vogelschutzgebiet „Elbaue Jerichow“.

Keine Änderungen gab es beim Grenzverlauf an der Derbener Werft. Für Geschäftsführer Hermann Barthel ist nicht klar: Warum wurden damals die Grenzen so gezogen und welche Kriterien gab es dafür. Bisher liegen die Dokumente noch nicht auf dem Tisch, inwieweit bei der Festlegung der Grenzen zu Beginn des Verfahrens die Werft beteiligt wurde.

Aus Halle kam zu dem Gesprächstermin Gert Zender. Zender ist Leiter der Abteilung Landwirtschaft und Umwelt beim Landesverwaltungsamt. Er zeigte im Gespräch Bereitschaft, der Werft in dieser Notlage zu helfen. So sicherte er zu, dass dem Unternehmen die Informationen zugestellt werde, welche Kriterien geltend gemacht wurden, die Grenzen so zu ziehen. Zudem wies er darauf hin, dass es sehr schwer sei ohne konkrete Visionen der Werft für weitere Investitionen zu planen. Der von Barthel eingeforderten Grenzverschiebung gab er wenige Chancen.

Dennoch vereinbarten die Gesprächsteilnehmer mit einer ausführlichen Stellungnahme über das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalts einen Antrag zur Ausgliederung der Werft aus dem Naturschutzprogramm zu stellen. Wie Thomas Barz bereits einen Tag nach dem Gespräch mitteilte, wurden Details dazu bereits mit dem zuständigen Bundestagsabgeordneten Manfred Behrens besprochen.

In einem weiteren Schritt will Zender die Angelegenheit in einigen Tagen bei einem themenbezogenen Treffen auf Bund/Länderebene vorbringen.

Zudem soll die Werft bis Ende September ein Papier mit den Visionen entwickeln. Hier sollen Punkte, wie notwendige Expansion, Ausbau, Investitionen im Technikbereich, Bau weiterer Schiffe, fixiert werden. Das Landesverwaltungsamt sowie der Landkreis haben zugesichert, das Verfahren konstruktiv im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu begleiten.

Vor wenigen Tagen wurde in der Werft der Schwimmgreifer „Wittenberg“ getauft. Derzeit arbeitet die Werft an einem Tauchschiff für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin und an einem Arbeitsschiff für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Emden. „Insgesamt beträgt die Investitionssumme 4,5 Millionen Euro“, sagt Werft-Projektleiterin und Geschäftsführer-Nachfolgerin Corinna Barthel.

Die Werft hat eine eigene Konstruktionsabteilung mit CAD-Arbeitsplätzen. Zudem ist eine witterungsunabhängige Fertigung in zwei Schiffbauhallen mit den Maßen von 60 mal 12 Metern sowie 30 mal 14 Metern möglich.

Die Werft wurde 1799 durch Friedrich Lösche gegründet. Ab 1890 wurden die ersten eisernen Schiffe bis 100 Tonnen und 80 Meter Länge hergestellt. Zu dieser Zeit waren mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt. Schiffe der Werft sind in Kamerun und Rumänien zu finden. Für die Berliner Reederei Riedel baute die Werft das Fahrgastschiff „Spree-Comtess“, das auf den Kanälen rund um Berlin zu finden ist. Das Boot hat eine Länge von 43 Metern und eine Breite von sieben Metern. Es ist das größte Schiff der Reederei.