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Post Besondere Beziehung zu Briefkästen

Zustellerin Antje Bülow hat in der Weihnachtszeit besonders viel zu tun. Sie findet den Dezember trotzdem am schönsten im Jahr.

Von Susanne Christmann 22.12.2020, 00:01

Genthin l Griff zum exakt sortierten Poststapel, Lieferwagen-Tür auf, schnellen Fußes zum Briefkasten, Klappe oder Schlitz auf, Post hinein, fixen Fußes zurück zum Auto, hinein und Gas geben zur nächsten Adresse. Das alles dauert Antje Bülow, Zustellerin bei der DLC GmbH der Mediengruppe Magdeburg, die ihren Firmenwagen traumwandlerisch sicher, gleichzeitig schnell und gekonnt durch Genthin lenkt, keine 30 Sekunden. Wenn sie auf ihren frühmorgendlichen Touren in Straßen mit Häusern unterwegs ist, an denen jeweils ein Briefkasten hängt.

Ihr Arbeitstag beginnt mit dem Sortieren der Post, der Zeitungen und den Werbeprospekten im Depot um 4 Uhr. Also immer im Dunkeln. Was ihr nichts ausmache und jetzt im Dezember gerade recht komme. „Der Dezember ist für mich der schönste Monat im Jahr“, bekennt sie. „Da ist vieles so schön beleuchtet. Ich freu mich da richtig drüber.“

Wenn Antje Bülow ihre „Briefchen“, wie sie manchmal scherzhaft auch Berge von Post in ihren Händen nennt, in Wohnhäusern mit mehreren zu beliefernden Parteien zustellt, reichen natürlich 30 Sekunden nicht aus. Aber dafür entfällt ja der jeweilige Sprint zum Auto und die kurze Fahrt zwischen zwei Briefkästen. Überhaupt Briefkästen: Zu denen hat die 42-Jährige eine besondere Beziehung. Das Erfahrungswissen darum, wo sie an der jeweiligen Adresse genau hängen, spart wertvolle Sekunden. Denn davon ist abhängig, wo Antje Bülow ihr Biberpost-Auto für den Moment der Zustellung abstellt. „Große Briefkästen sind schön“, sagt sie. „Je größer, desto besser“.

Weil Zeitungsausgaben mit vielen Seiten- und Beilagen und dicke beziehungsweise große Briefe sich darin leicht, schnell und vor allem sicher ohne Beschädigung zustellen lassen. Wenn sie Post zu sehr hineinzwängen müsste, kann sie im Zweifel nicht zustellen - beschädigte Post hat keiner bestellt. Für die Zustellung entscheidend ist aber auch noch etwas anderes: die Lage und Größe des Schlitzes oder der Klappe. Großvolumig, von oben durch eine leicht zu bewegende Klappe zu befüllen, gut sichtbar, auf kürzestem Wege vom Auto aus zu erreichen - so hat Antje Bülow „ihre“ Briefkästen am liebsten. Der ein oder andere Genthiner hat schon auf sie gehört und sich auf ihren Rat hin einen entsprechenden Briefkasten angeschafft. Der beste Briefkasten aber hängt an der Hauswand ihrer eigenen, privaten Wohnadresse: ein modernes, großes Exemplar mit Extra-Fach für Päckchen bis zu einer bestimmten Größe, das über einen Code bestückt werden kann. Den, so ist sie sich sicher, gibt es bisher nur einmal in Genthin.

Auch wenn die Menge an auszuliefernder Post nie – und im Dezember schon gar nicht – irgendeinen Plausch über den Gartenzaun zulässt, Antje Bülow schafft bei „ihrem Kumpel“, wie sie einen langjährigen Biberpost-Empfänger freundschaftlich nennt, auch das. Der wohnt im Erdgeschoss, ist immer schon auf den Beinen, wartet jeden Tag auf sie, öffnet das Küchenfenster und beim Hinlaufen und Zureichen der Post wechselt Antje Bülow mit ihm ein, zwei vertraute Sätze.

Und ja, auch Hunde spielen bei ihrer Arbeit eine Rolle. Getreu ihrem Grundsatz „Bevor sie mich immer böse anbellen und anknurren, mache ich sie mir zu Freunden“ krault sie jenem Vierbeiner, dessen Frauchen ihr inzwischen eine Freundin geworden ist, nach der Post-Zustellung ganz kurz noch durch den Zaun hindurch den Nacken. Heftiges Schwanzwedeln zeigt an, wie sehr diesem das gefällt.

Aber: „Es gibt auch böse Hunde“, so Antje Bülow und da helfe nur viel Abstand. Und reden mit dem Halter, dass er ihn nicht frei herumlaufen lasse, wenn sie mit der Post komme. Damit sie nicht zum allerletzten Mittel, die Post deshalb nicht zuzustellen, greifen müsse. Wenn auf dem Briefkasten kein Name stehe, darf sie übrigens keine Post zustellen. Und wenn ihr die Frage zugerufen werde, von wem den heute die Post komme, dann antwortet sie: „Das kann ich nicht sagen, denn das darf mich nichts angehen“. Trotzdem weiß sie, die 2015 aufgrund eines gesundheitlichen Handicaps nach langer Suche diesen Job angetreten und bisher nie bereut hat, wann zum Beispiel so mancher Genthiner, dem sie die Post zustellt, aufsteht. Was sie aber genauso für sich behält wie andere private Dinge, die ihr auf ihren täglichen Zustell-Touren so zu Ohren kommen.

Auch Heiligabend wird Antje Bülow frühmorgens in Genthin unterwegs sein und Post zustellen. „Das macht mir nichts aus. Auch schlechtes Wetter nicht. Ich zieh mich halt entsprechend an.“ Außerdem: Postzustellung sei heutzutage wie Hochleistungssport. Kalt werde ihr nie. „Ich brauche auch kein Fitnessstudio“, sagt die fitte Genthinerin. Dafür aber nach getaner Zustellarbeit am 24. Dezember ein Weihnachtsfest daheim in Familie mit Mann und Kindern. Denn die Familie ginge ihr, die sie auch die Tochter ihrer Schwester als Ziehkind bei sich aufgenommen hat, über alles.