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Produktion Parchener Unternehmer diskutieren Zukunft

Mit den Chancen und Problemen im ländlichen Raum beschäftigten sich kürzlich Kleinstunternehmer in der Leinölmühle Parchen.

Von Mike Fleske 18.10.2017, 07:00

Parchen l In Zeiten der Abkehr von der Massenproduktion wird von vielen Konsumenten der ländliche Raum als Standort für die Produktion regionaler Lebensmittel wiederentdeckt. Für die kleinen Erzeuger mit oft nur wenig Fläche und einer Filiale, wie etwa Bäcker, Fleischer oder Landwirte, wird es allerdings immer schwerer, ihre Produktion und den Vertrieb aufrecht zu erhalten.

„Es ist auf Dauer nicht machbar, im ländlichen Raum auf Dauer Arbeitskräfte zu halten“, machte etwa Gastgeber Ernst- Adolf Kampe, Leinölmühlenbetreiber und Öko-Bauer deutlich. Kleine Unternehmen könnten nicht so viel Erträge erwirtschaften, um Arbeitsplätze attraktiv zu finanzieren. Kampe forderte eine politisch gewollte, dauerhafte finanzielle Förderung von Arbeitsplätzen, die nicht nach einem halben Jahr auslaufe.

„Wir wollen die Versorgung vor Ort bieten und wir wollen auch auf dem Land produzieren, aber wir benötigen Unterstützung.“ Hier widersprach Willy Boß, Geschäftsführer der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt: „Es gibt die Möglichkeit investiv zu fördern, aber nicht die dauerhafte Subventionierung von Arbeit.“ Michaela Delorme, Inhaberin der Bäckerei Delorme in Burg, wies auf ein weiteres Problem der Kleinstunternehmer hin: „Die Bürokratie wird immer umfangreicher, auch das ist nicht mehr tragbar für kleine Betriebe.“

Sie sah das Problem, dass kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitern einen so hohen Aufwand treiben müssten, dass ein richtiges Arbeiten kaum noch möglich sei. Delorme ging einen Schritt weiter und forderte, etwa durch eine geringe Lohnsteuer Unternehmen im ländlichen Raum zu entlasten und dadurch diese Standorte attraktiv zu machen. Dieses Ansinnen hielt Willy Boß für schwierig.

„Es könnte ein wirksames Mittel sein, aber für unterschiedliche Steuersätze zwischen Stadt und Land haben wir nicht die Lobby.“ Allerdings lag den Unternehmern das Thema Bürokratie durchaus am Herzen. Ein weiteres Problem sehen die Unternehmer bei der Beantragung von Fördermitteln, etwa aus dem LEADER-Programm.

„Das ist mit viel Vorlauf verbunden, ich möchte aber ein Projekt möglichst schnell umsetzen und bin auch bereit, Kapital einzusetzen, aber oft dauert es sehr lange, bis seitens der Fördermittelgeber über die Vergabe entschieden wurde“, beklagte etwa Emanuel Conrady, der in Burg ein Café und einen Gemischtwarenladen betreibt, in denen regionale Produkte im Fokus stehen. Ähnlich sieht es auch Bio-Geflügelhofbetrieber Karsten Beck aus Demsin: „Für uns als kleinen Betrieb ist es schwierig, von Förderprogrammen zu profitieren, die Umsetzung ist viel zu umständlich.“

Nicht nur bei der Beratung im Hinblick auf die Umsetzung von Förderanträgen sieht Willy Boß Möglichkeiten zur Unterstützung der Unternehmer. „Die Direktvermarktung der Kleinen trägt sich oft nicht, es muss stärkere Bemühungen geben, den Weg des Vertriebes über große Einzelhandelsketten zu nehmen.“ Hier gäbe es bereits ein großes Interesse.

Woran der Direktvertrieb ebenfalls oft scheitert, machte Daniela Gummelt, Seifenproduzentin aus Hohenseeden, deutlich: „Wir benötigen auf dem Land eine gut ausgebaute Infrastruktur beim Internet.“ Ansonsten nutze eine gute Internetseite nichts, wenn Aufträge online nicht generiert oder bearbeitet werden könnten.

Gefördert werden die Unternehmer auch durch das Technologie- und Gründerzentrum (TGZ) Jerichower Land. Beraterin Gabriele Völker nahm an der Runde teil. Derzeit betreut das TGZ eine Reihe von kleineren Unternehmen aus vielen Branchen. „Etwa 90 Prozent aller von uns betreuten Gründer oder Jungunternehmer sind Einzelfirmen“, macht Geschäftsführerin Beatrix Pausch deutlich.

Das in der Diskussion die Politik gefordert ist, sahen auch die scheidende SPD-Bundestagsabgeordente Waltraud Wolff und ihre Parteikollegin Franziska Kersten, die an der Runde teilnahmen. Für sie waren auch die Konsumenten gefordert, die bereit sein müssten, den ein oder anderen Euro mehr auszugeben, um vor Ort erzeugte Produkte zu erwerben.