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Projekt Fleißkärtchen und Rohrstock

Der Förderverein Genthiner Stadtgeschichte widmet sich der Schulhistorie. Die Mitglieder besuchten dafür das Schulmuseum Reckahn.

Von Mike Fleske 13.06.2016, 07:00

Genthin/Reckahn l Kürzlich wurden 26 erwachsene Besucher aus Genthin wieder zu Schulkindern. Im Schulmuseum Reckahn (Gemeinde Kloster Lehnin), erfuhren sie, wie einst der Unterricht zu Zeiten des Dorfschulgründers und Gutsherrn Friedrich Eberhard von Rochow (1734 - 1805) im 18. Jahrhundert abgelaufen war.

Die am Eingang des Gebäudes wartende Lehrerin musste von den Jungen mit einem Diener und den Mädchen mit einem zaghaften Knicks begrüßt werden. Den Unterricht leitete an diesem Tag Ilona Fiedler. „Hier herrscht Ordnung, Disziplin und Sauberkeit“, machte sie deutlich. Auch das sie mit dem Namen „Fräulein Lehrerin“ angesprochen werden sollte.

Denn nur unverheiratete Frauen durften seinerzeit als Lehrkraft tätig sein. Die Besucher bekamen nachdem sie sich nach Geschlechtern getrennt in die Schulbänke gesetzt hatten auch damals zeittypische Namen, wie Oskar, August, oder Henriette. Nun folgte der Unterricht im Rechnen, Lesen und Schreiben.

Dazu diente das von Rochow selbst verfasst Buch „Der Kinderfreund“. Eine Geschichte über „das Vogelnest“, diente zum Lesen und Rechnen. Der Satz „Karl ist böse“ als Vorlage zum Schreiben der Sütterlinschrift, die bis zum Jahr 1941 an der Schule gelehrt wurde. „Das ist richtig schwierig“, meinte Besuchern Ingrid Kroll. „Besonders die Anfangsbuchstaben“, fügte ihr Enkel Sebastian Kroll hinzu. Er war der Jüngste im Rund und tat sich sichtlich schwer mit dem Schreiben mit dem Griffel auf der kleinen Schiefertafel.

Wer besonders gute Antworten gab, bekam von Lehrerin Fiedler sogar ein Fleißkärtchen. Die unartigen Kinder seien beispielsweise für Lügen oder Stehlen mit Rohstockschlägen bestraft worden. „Die Jungen wurden auf das Gesäß geschlagen, die Mädchen auf den Rücken“, erläuterte Ilona Fiedler. Die historischen Schulstunden seien beleibt bei Vereinen, Geburtstagsrunden oder Klassentreffen. Gleichzeitig erinnere man im Schulmuseum an die Reformpädagogik des Hauses, dass einst vom Reckahner Lehrer in Reckahn Heinrich Julius Bruns (1746 -1794) geprägt wurde. Nicht nur ihm wird im Schulmuseum gedacht. Auch die Entwicklung des Schulwesens wird in Reckahn nachvollzogen.

Im benachbarten Schloss informierten sich die Genthiner Besucher im Rochow-Museum über Leben und Wirken des Reformers. Sein Wirken ging über die Grenzen Potsdams- und Brandenburgs hinaus. Auch das einstige Lehrerseminar in Genthin stand in diesem Zusammenhang. Das heutige Haus I des Bismarck- Gymnasiums wurde 1891 für das Lehrerseminar errichtet. „Wir wollen uns bis zum kommenden Jahr mit der Geschichte des Schulwesens beschäftigen“, sagt Lisa Wolf vom Förderverein Stadtgeschichte Genthin. Denn die Region habe mit ihren verschiedenen Schulformen eine reiche Historie, die aufgearbeitete werden solle.

Der Besuch in Reckahn habe dazu einige Anhaltspunkte geliefert, um das Thema tiefgründiger behandeln zu können. Wer selbst einmal zum Schulkind werden möchte, hat die Möglichkeit sich in Reckahn unter 033835/60 88 70. anzumelden. Die Reckahner Museen sind im Sommer Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr und Sonnabend von 10 bis 18 Uhr sowie Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.