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Radfahren Einmal in die Mongolei und zurück

Der 84-jährige Alfred Aust aus Parchen ist mit seinem Fahrrad jährlich etwa 15 000 Kilometer unterwegs.

Von Simone Pötschke 17.01.2018, 00:01

Parchen l Das nasskalte und regnerische Wetter am Dienstagvormittag ist so gar nicht das Ding von Alfred Aust. Es verordnet ihm einen unerwarteten Aufenthalt in der warmen Wohnstube. Viel lieber hätte sich der alte Herr jedoch sein Fahrrad geschnappt und sich auf eine tagesfüllende Tour begeben. So wie er es meistens tut.

Seine Unternehmungen führen ihn in alle Himmelsrichtungen, stets aber abseits von den ganz großen Hauptverkehrsstraßen, die ihm zu hektisch und gefährlich sind. Einmal auf den eher beschaulichen Landstraßen und Feldwegen unterwegs, legt er dann locker Tagesstrecken zwischen 80 und 100 Kilometern zurück.

„Das macht mir einfach Spaß, auch wenn manchmal schon die Kniegelenke zwicken“, hält sich der vitale Herr nicht lange mit Erklärungen auf. Drei- bis viermal in der Woche radelt Alfred Aust in die Ferne. Wohin es geht, entscheidet er dann zumeist ganz spontan. Selbst seine Ehefrau erhalte bei dieser Frage kaum eine konkrete Auskunft, lächelt der agile Ruheständler. Mit einem „Mal sehen“ müsse sie sich dann zufrieden geben.

„Ich glaube, mich kennen schon alle Bäcker in der näheren Umgebung.“ Dass er auf seinen Touren ohne Handy unterwegs ist und er damit keine Möglichkeit hat, in einer misslichen Situation Hilfe zu rufen, bekümmert den 84-Jährigen nicht.

Er könne zwar gut nachvollziehen, dass dies seiner Familie missfalle, doch eines Besseren will er sich trotzdem nicht belehren lassen. „Bisher ist ja alles gut gegangen.“ Schwere Verletzungen hätte er sich bei Stürzen nicht zugezogen. Ein kleiner Zusammenprall mit einem Pkw in Genthin vor drei Jahren tut der Senior mit einem lapidaren „Na und“ ab. Und die Polizei habe ihn bis auf eine einzige Kontrolle auch in Ruhe gelassen.

„Schließlich hätten mir dann meine Frau und meine Tochter nicht zum 65. Geburtstag ein Fahrrad schenken sollen“, entgegnet Alfred Aust mit einem fast verschmitztem Lächeln. Denn damit nahm seine Leidenschaft fürs Radfahren Tempo auf.

Mit dem neuen Rad radelte der ehemalige Kraftfahrer nach und nach in ein erfülltes Rentnerdasein. Große Strecken sei er seinerzeit freilich noch nicht gefahren. Erst ganz langsam habe er seine Leistungsfähigkeit gesteigert und sich immer mehr zugemutet.

Seit er seine gefahrene Jahreskilometer-Grenze von 10 000 erreicht hat, führt Alfred Aust auch sehr genau Aufzeichnungen. Ganz für sich, ohne damit in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit genießen zu wollen. Ein Rummel um seine Person, gibt er deutlich zu verstehen, sei ihm eher unangenehm. Seine Radlerleistung bleibt dennoch mehr als respektabel.

Sein „Durchbruch“ stellte sich für ihn 2009 ein, als er 11 130 Kilometer durchs Land tourte, zwischen 2012 und 2015 überschritt der betagte Radler ein Jahresergebnis von 15 000 Kilometern, 2016 waren es stolze 14 760. Das entspricht ungefähr einer Strecke von Parchen nach Ulaanbaatar (russ. Ulan-Bator) in der Mongolei und zurück. Um solche Superlative geht es dem zurückhaltenden 84-Jährigen freilich nicht.

Alfred Aust genießt das kleine Glück, den Fahrtwind in seinem vom Alter gezeichneten Gesicht zu spüren. Wenn er radeln kann, ist er mit sich im Reinen. Große Extras gönnt er sich auf seinen stundenlangen Fahrten nicht. Eine Pause legt er auf seinen Touren sehr wohl ein - die ist stets gesetzt. Eine Tasse Kaffee und ein Stückchen Kuchen gönnt er sich dann. Mehr nicht. „Ich glaube, mich kennen schon alle Bäcker der Umgebung“, scherzt der radelnde Ruheständler.