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Ruhestand Genthiner Suppenkönigin nimmt ihren Hut

Imbissinhaberin Ute Kroh geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand. Ob sich eine Nachfolge findet, ist ungewiss.

Von Susanne Christmann 16.09.2020, 01:01

Genthin l „Dein Rentenantrag ist ja abgelehnt“, sagt der Mittagsgast mit ernstem Gesicht. „Genau!“ stimmt der nächste ein und mit ebenso gespielt ernstem Gesicht entgegnet Ute Kroh den beiden „Jaja.“ Denn dass die gelernte Köchin zum Jahresende tatsächlich in den Ruhestand geht und ihren Imbiss in der Brandenburger Straße zumacht, ist für ihre Stammkunden nicht nur ein Unding, das dürfte es – ginge es nach ihnen – eigentlich nicht geben. Die einfache, aber fast bis zur letzten Zutat im Ein-Frau-Betrieb selbst hergestellte Hausmannskost hat nach über 30 Jahren von Ute Krohs Wirken in Genthin einen Status erreicht, der dem einer Legende nahe kommen dürfte.

„Ich gehe“, sagt Ute Kroh im Gespräch mit der Volksstimme, „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Sie freue sich darauf, sich im Ruhestand nun endlich ihre Träume erfüllen zu können. Gemäß des Spruches „Reise vor dem Sterben, sonst tun es deine Erben“ will sie unbedingt einmal mit einem großen Schiff bis zum Nordcap. „Und die Donau möchte ich auch noch einmal entlangschippern“, fügt sie hinzu. Denn wenn sie erst mal am Rollator gehe, so ihr resoluter Bescheid, dann brauche sie vom Reisen auch nicht mehr träumen. Dass ihr aber im Ruhestand ihre Gäste aus dem Imbiss und die vertrauten Beziehungen zu ihnen fehlen werden, weiß sie jetzt schon.

Marga, die sich bei Ute Kroh regelrecht abmeldet, wenn sie mal ein paar Tage nicht vorbei kommt, weil sie auf Reisen geht, Helga, die sich Ute Krohs Tagessuppe in den mitgebrachten Topf füllen lässt, die Nachbarn Christian und Wolfi, die so gerne Nudeln mit roter Soße essen, Erika, die heute mal Fisch nimmt oder jener Stammkunde, der immer extra aus Gladau nach Genthin kommt, auch wenn er dort nichts weiter als den Gang zum Imbiss vorhat – sie alle sind Ute Kroh ans Herz gewachsen.

Umgekehrt ist sie für sie nicht nur diejenige, die für die preiswerte, täglich frisch gekochte, warme Mahlzeit sorgt, sondern ein Mensch, mit dem sie, wie Ute Kroh es ausdrückt, „auch mal ein Wort mehr plaudern“ können.

Die Liebe zum Kochen wurde in Ute Kroh geweckt, als daheim in ihrer Kindheit zu großen Familienfeiern immer Köche ins Haus geholt wurden. 16 Jahre hat sie als Köchin im VEB Stahl- und Apparatebau Genthin für das leibliche Wohl der Arbeiter und Angestellten gesorgt. 1990 kam sie als Angestellte zu Vianda Fleisch- und Wurstwaren. Hier wurde sie gefragt, ob sie sich nicht vorstellen könne, einen zum Betrieb gehörenden Imbiss zu leiten. Sie konnte. Und als 2000 Vianda in Genthin schließen musste, übernahm sie als 43-Jährige kurzerhand den Imbiss als Selbstständige.

Reich sei sie nach eigenem Bekunden dadurch nicht geworden. „Ich backe halt kleine Brötchen“, sagt sie dazu, „und ich bin damit zufrieden.“ „Kleine Brötchen“ heißt nie krank zu machen, jeden Tag ab 5.30 Uhr im Laden stehen und die Gerichte auf der Tageskarte vorbereiten, Soßen selbst herstellen, Geschirr spülen – von Hand, nicht mit der Maschine, kalkulieren, den nächsten Tag vorbereiten.

Als Ausgleich werkelt sie in ihrem Garten. Wenn dann Gemüsesuppe auf der Speisekarte steht, dann können die Gäste sicher sein, dass die Zutaten dafür aus ihrem Garten stammen. Und wenn zur Zeit die reifen Pfirsiche die Äste biegen, dann gibt es in Ute Krohs Imbiss Pfirsich-Kompott.

Auch wenn sie nie am Genthiner Kartoffelsuppen-Koch-Wettbewerb teilgenommen hat, darf man sie getrost als (ungekrönte) Suppenkönigin von Genthin bezeichnen. Diesen Ruf hat sie sich erarbeitet, so dass selbst Mitbewerber sagen: „Also wenn du Suppe essen willst, dann musst du zu Ute gehen“. Noch hat sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich doch noch ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für ihren Imbiss finden könnte. Was diese oder dieser mitbringen müsste? Ute Kroh: „Liebe zum Beruf und nie auf die Uhr gucken.“