1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Magdeburger auf Herrenhaustour

Schlossbesichtigung Magdeburger auf Herrenhaustour

Im Schloss Dretzel wurden 50 Gäste begrüßt. Sie gehörten zu einer Besuchergruppe der Magdeburgischen Gesellschaft von 1990.

Von Mike Fleske 26.10.2017, 01:01

Dretzel l 50 Besucher auf einmal. Was andere Gastgeber in helle Aufregung versetzten würde, ist für Petra und Hans-Fabian von Ostau Routine. Ist ihr Schloss doch Außenposten des Genthiner Standesamtes und beliebt bei Hochzeitsgesellschaften. „Deshalb sind wir große Gästegruppen gewöhnt“, meinte Petra von Ostau mit ihrem ansteckendem Lachen.

Ihr Mann, ganz Schlossherr alter Schule, begrüßte die Magdeburger Gruppe um den Vorsitzenden der Magdeburgischen Gesellschaft Thomas Kluger am Eingang. „Das ist für mich schon ein Symbol für die Gastfreundschaft, die für uns geöffnete Tür und der herzliche Empfang“, sagte der Vorsitzende.

Sein Verein fördert seit 1990 das bürgerschaftliche Engagement in der Region Magdeburg für Künste, Wissenschaft und Gewerbe. „Am heutigen Tag schauen wir uns Herrenhäuser im Jerichower Land an“, erklärte Kluger. Dabei machten die Besucher unter anderem auch Station im Herrenhaus Brandenstein bei Familie von Arnim. „Das Interesse an dieser Reise war so groß, dass wir 30 weiteren Interessierten absagen mussten.“

In Dretzel führte Hans-Fabian von Ostau die Gäste durch sein Schloss, durch die Empfangshalle vorbei an seinen Urahnen an der Wand. Im Sommersaal - wo sonst die Trauungen stattfinden - erläuterte der Schlossherr die Geschichte des Hauses. Diese begann im 14. Jahrhundert, als die Knappen Henning und Werner von Kracht mit Dretzel belehnt wurden. Sie waren die Erbauer des ersten Dretzeler Schlosses. Der spätere Besitzer Herrmann Ludwig von Stilcke musste das Schloss neu aufbauen, nachdem es in der Napoleonzeit 1807 abgebrannt war.

„Baumeister war nicht Karl Friedrich Schinkel, wie es oft kolportiert wurde“, machte von Ostau mit sanftem Nachdruck deutlich. An seine Familie ging das Gut 1835 mit dem preußischen Generalmajor Carl Heinrich von Ostau, dessen Ehefrau Adelgunde das Gut geerbt hatte. 1945 wurde das Rittergut Dretzel durch die sowjetische Besatzungsmacht enteignet.

Das Schloss ging 1948 in den Besitz der Kommune über, die es in der Folgezeit als Kindergarten, Schule, Jugendklub und Wohnheim nutzte. Nach der Wende gelang es Hans-Fabian von Ostau 1999, das Schloss durch Kauf wieder in den Besitz seiner Familie zu bringen.

Er berichtete den Besuchern von den Schwierigkeiten, das klassizistische Bauwerk wieder im neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Seine Schilderungen begeisterten die Zuhörer. „Das war ein hochinteressanter Vortrag, fast wie ein geschichtliches Bilderbuch“, meinte Besucherin Marina Gentz.

Für Willi Polte ist das wiederhergerichtete Schloss Dretzel noch etwas anderes: „Es bietet den Menschen, die Möglichkeit zur Identifikation mit der Region, in der sie leben.“ Für Uwe Nielsen bot der Vortrag einen interessanten Einblick: „Ich beschäftige mich bereits seit Längerem mit der Region, deshalb war es nicht neu für mich, dennoch ist es gut, wenn solche historischen Gebäude erhalten werden.“

Hans-Fabian von Ostau hatte noch eine Überraschung parat: „Ich zeige Ihnen alte Lehnsbriefe des Schlosses, die habe ich im vergangenen Jahr Berliner Besuchern gezeigt, die präsentiere ich auch Ihnen.“ Eine Besonderheit war dieses Vorzeigen deshalb, da die Briefe mit so wenig Tageslicht wie möglich in Berührung kommen dürfen. „Bei einer dauerhaften Ausstellung wären sie nach einem halben Jahr nicht mehr zu lesen.“

Nach der Besichtigungstour stärkte sich die Gruppe zünftig. Petra von Ostau hatte ganz pragmatisch für 50 Personen eine schmackhafte Linsensuppe im großen Topf zubereitet.