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Sommer Mit Wespen in friedlicher Nachbarschaft

Wespen sind grundsätzlich friedliche Flieger. Ein Plädoyer von Genthinern für die so oft gescholtenen Hautflügler.

Von Susanne Christmann 14.08.2020, 06:00

Genthin l Wer heute eine Lanze für die Biene bricht und dafür wirbt, sie zu schützen und ihre Lebensräume zu erhalten beziehungsweise neu aufzubauen, rennt bei den meisten von uns inzwischen offene Türen ein. Wir wissen, welche wichtigen Aufgaben sie im Ökosystem erfüllen. Als einer der wichtigsten Bestäuber sind sie in großem Maße für den Erhalt und die Fortpflanzung der Pflanzenwelt verantwortlich.

Auf die Wespen sind viele von uns sehr viel weniger gut zu sprechen. Dafür, so Marko Arndt vom Imkerverein Genthin und Umgebung, gibt es aber kaum einen wirklich triftigen Grund. „Wespen erfüllen als Bestäuber die gleiche wichtige Aufgabe im Ökosystem wie die Bienen.

Und anders als diese tun sie das auch noch bei Wind und Regen“, erklärt der erfahrene Imker in einem Gespräch mit der Volksstimme. Mehr noch: Wespen halten, weil sie sie fressen, auch lästige Schädlinge wie Stechmücken, Fliegen oder Raupen im Zaum und uns Menschen so vom Leibe. Genauso fressen sie Insekten, die Krankheiten übertragen könnten. Schließlich sind Wespen selbst Nahrungsquelle und stehen beispielsweise auf dem Speiseplan von Vögeln.

Kaum jemand wisse, so Arndt, dass es hunderte Arten von Wespen gibt, aber nur zwei haben es auf unsere Süßspeisen und -getränke sowie Fleisch und Wurst abgesehen: die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe. Denn auch wenn Insekten die Hauptnahrungsquelle von Wespen sind, kommen sie uns Menschen, wenn sie für ihre Brut im Sommer Unmengen von Energie-Nahrung benötigen, dann doch oft sehr nahe. Und lassen sich, wenn wir draußen sitzen, auf Kuchen, Eis, süßen Früchten nieder oder versuchen, sich an zuckerhaltigen Getränken zu laben.

„Wenn wir uns dann aber richtig, also ruhig, verhalten“, sagt Marko Arndt, „kann uns nicht viel passieren.“ Wer sie mit der Hand wegschlägt, begibt sich allerdings in Gefahr. Denn dann fühlen sich die schwarz-gelben Hautflügler bedroht und können zustechen. Wie schmerzhaft das ist, weiß jeder, der schon einmal davon betroffen war. Auch die Wespen wegpusten ist nicht ratsam. Denn Kohlendioxid, das in unserer Ausatemluft enthalten ist, wird unter Wespen als Alarmsignal verstanden.

Wenn wir Nahrungsmittel im Freien abdecken, Reste schnell wegräumen und überhaupt Essbares nie lange stehen lassen, sind wir auf der sicheren Seite. Wer, wenn er länger draußen sitzt, auf Parfüm, duftende Cremes, Holzmööbelpolitur (!) und ähnliche Düfte verzichtet, tut viel, um die Wespen nicht unnötig anzulocken. Da sie auch bunte Kleidung gern anfliegen, können wir auch hier vorbeugen.

Marko Arndt wird jetzt in der Wespensaison oft angerufen, wenn Genthiner bei sich am Haus oder anderen Gebäuden ein Wespennest entdecken. Das findet er richtig, denn „Selbsthilfe“ sei hier in jedem Falle falsch. Wespen, verweist Marko Arndt auf das Bundesnaturschutzgesetz, dürfen nicht getötet werden. Auch ihre Nester dürfen nicht zerstört werden, es sei denn, das Nest hängt direkt über der Eingangstür, jemand hat eine Wespengiftallergie oder es halten sich Kleinkinder in der Nähe des Wespennestes auf.

Aber auch dann sollte keiner selbst Hand anlegen, sondern jemanden rufen, der sich damit auskennt. Marko Arndt weiß in den allermeisten Fällen, was zu tun ist, damit wir mit den Insektenvertilgern in friedlichem Nebeneinander weiterleben können. Oft reiche es schon aus, die Einflugschneise in das Nest und davon weg mittels eines Rohres so umzulenken, dass die Wespen die Wege des Menschen nicht mehr kreuzen müssen.

Bei Arndts Eltern hat sich in diesem Jahr ein Wespenstaat mit seinem Nest in einer Fuge im Mauerwerk angesiedelt. „Da machen wir - außer ein bisschen aufmerksamer sein - gar nichts“, sagt er. Vorgesorgt wurde so: Fliegengaze an Fenstern und Türen, insbesondere an Küchen-, Bad- und Kinderzimmerfenstern, damit sich keine der Wespen ins Haus verirrt.

Außerdem - und das ist die gute Nachricht für alle Wespengeplagte: Diese Gäste bleiben nicht dauerhaft. Es gibt Wespenvölker, die sterben schon Ende Juli ab. Spätestens jedoch im Herbst passiert das allen Wespenvölkern mit den ersten Frösten. Die leeren Nester kann man danach recht problemlos entfernen. Aber selbst, wenn man sie hängen lässt: Alte Nester werden im nächsten Jahr nicht wieder neu besiedelt und man wird zumindest an dieser Stelle im nächsten Jahr keine neuen schwarz-gelben Untermieter bekommen.