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Sportfest Erinnerungen an heiße Turntage 1969

Als Aktive waren drei Parchnerinnen beim Turn - und Sportfest in Leipzig 1969. Sie bereiten ein Treffen vor.

Von Mike Fleske 24.07.2019, 07:00

Parchen l „Was du alles aufgehoben hast...“ – Beim Stöbern und Blättern kamen Sieglinde Möhring und Anita Kollek aus dem Staunen nicht heraus. Ganz akribisch hat Marika Schröder alles gesammelt, was mit dem Turn- und Sportfest in Leipzig 1969 zu tun hat. Bücher, Zeitungsausschnitte, Briefe, sogar Turndresse und ein Wanderkocher gehören zur Sammlung.

Letzterer wurde einst mit einem Verpflegungsset aus Konsereven verteilt. „Hätte ich das nicht alles aufgehoben, ich hätte vieles nicht mehr gewusst.“ So zeugen Schröders Briefe und Telegramme vom damaligen Zeitgeist. Grund für das Schwelgen in Erinnerungen, war der 50. Jahrestag des Sportfestes in Leipzig, an dem die drei Parchnerinnen als Aktive teilgenommen haben.

An diese mehrtägigen Sporttage, die zwischen 1954 und 1987 achtmal stattfanden, waren auch Fußballspiele der DDR-Nationalmannschaft und internationale Leichtathletik-Veranstaltungen angebunden. Es waren die größten DDR-Sportveranstaltungen im damals 100.000 Zuschauer fassenden Leipziger Zentralstadion. Angefangen habe alles mit einem intensiven Turntraining bei der noch heute aktiven Übungsleiterin Brigitte Kabelitz.

„Sie hat uns damals schon richtig fit gemacht für den großen Auftritt“, erinnert sich Marika Schröder. So wurden die drei Parchnerinnen, die damals alle zwischen 16 und 18 Jahren alt waren, ausgewählt. 24 Teilnehmer aus dem damaligen Kreis gab es.

Wochen vor dem Sportfest ging es zum Training nach Grimma. Schon das war eine Strapaze. Früh um sechs ging es aus den Federn, mit Unterbrechungen wurde bis zum späten Abend trainiert. Denn jeder Schritt, jede Bewegung musste sitzen, am Ende sollten die Turnerinnen mit hunderten anderen Formationen bilden.

„Das war unglaublich anstrengend“, erinnert sich Anita Kollek. Es sei sommerlich heiß gewesen und oft seien die Sportlerinnen abends todmüde ins Bett gefallen. Aber der Höhepunkt der Reise waren die großen Auftritte im Leipziger Zentralstadion. „Wir waren alle unglaublich aufgeregt, es war uns klar, dass man so eine Sache nur ein Mal im Leben erlebt“, sagt Sieglinde Möhring.

Drei Auftritte absolvierten die Parchnerinnen - und was für welche. „Wir hatten in den Turnkeulen Bänder versteckt, die am Ende des Auftrittes herausgezogen wurden, um damit zu Turnen, das war ein ganz tolles Bild, als hunderte von Turnerinnen diese weißen Bänder bewegt haben“, erinnert sich Marika Schröder. Und die Frauen haben noch etwas in Erinnerung: „Bei einer Abendveranstaltung hatten wir spezielle Turndresse an, die unter UV-Licht zu leuchten begannen, das gab es nur diese eine mal.“ Einziger Wermutstropfen: „Die Anzüge waren durch ihre Beschichtung so starr, dass man sie kaum tragen konnte.“

Auch die Zuschauer sind den Frauen noch in Erinnerung. „Auf der Ostribüne gab es zehntausend Zuschauer mit farbigen Pappen, auf Kommando erzeugten sie damit riesengroße Motive.“ Propaganda und bunte Bilder hätten sich dabei abgewechselt. Noch etwas wasei beeindruckend gewesen: „Der grün karierte Rasenteppich, der den Innenbereich abdeckte.“

Überhaupt, der Innenraum – brütend heiß sei es gewesen. „Das Zentralstadion war damals wie ein großer Kessel, im unteren Bereich staute sich die Hitze“, weiß Marika Schröder noch. Vielleicht war es 40, vielleicht sogar 50 Grad heiß. „Die Leute sind reihenweise umgekippt“, erinnern sich die Frauen.

Dennoch gab es auch kuriose Begebenheiten. Für ihre Teilnahme erhielten die jungen Frauen damals eine Eintrittskarte zum Fußballpiel DDR gegen die Sowjetunion. 2: 2 ging es aus. Natürlich bejubelten die Mädchen die Tore für ihre Mannschaft, aber auch die der Gäste. „Das war doch kein Treffer für Unsere“, habe ihnen da jemand zugezischt.

Die Rivalität zum „großen Bruderland“ war durchaus spürbar. Noch größer war aber die Rivalität zum Westen, gab es doch die innerdeutsche Teilung. Als die Mädchen zu einem ihrer Auftritte zum Leipziger Stadion unterwegs und spät dran waren, gabelte sie ein westdeutscher VW-Bus auf.

„Wir haben hinten gesessen und gedacht, hoffentlich werden wir nicht entführt oder erwischt“, erzählt Marika Schröder mit einem Lachen. Doch es ging alles gut. „Ich habe eine Volleyballmannschaft im Bus“, sagte der Fahrer an der Einlasskontrolle, wurde durchgewunken und fuhr die Parchener Turnerinnen bis kurz vor den Eingang.

Bis heute erinnern sich die Frauen gern an die Zeit und planen ein Treffen im Herbst mit anderen damaligen Teilnehmerinnen aus der Region. „Schön wäre es auch, wenn noch jemand Fotos von der Veranstaltung oder von uns damals hat“, fügt Marika Schröder hinzu. Denn selbst fotografiert hätten sie sich damals kaum. Interessierte können sich bei Marika Schröder unter 039345/233 melden.