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Sportserie Keine Zeit, um sich krank zu fühlen

Sport ist gesund und vertreibt den Winterspeck. Wir testen uns durch die Sektionen vom Genthiner Verein „SV Chemie“.

Von Simone Pötschke 06.05.2017, 01:01

Genthin l Mittwochs 17 Uhr in der Vereinssporthalle des SV Chemie am Sportboothafen - Treffpunkt der Reha-Sportgruppe unter der Leitung der lizensierten Übungsleiterin Antje Hagenau. Eine Stunde Gesundheitssport liegt vor uns. Wenn Übungsleiterin Antje Hagenau bei der Kontrolle der Anwesenheit scherzhaft meint, dass heute Silberhochzeit gefeiert würde, verwundert das, so eigentümlich das klingen mag, nicht. Silberhochzeit markiert bekanntermaßen die 25.

Dies bedeutet in der Lesart der Übungsleiterin also zugleich die Hälfte der üblichen 50 Anwendungen, die ein Reha-Sportler auf ärztliches Anraten und mit dem Segen der Krankenkasse unter den Fittichen von Antje Hagenau absolviert. Jeder, der hier mitmacht, feiert so schließlich seine „Silberne Hochzeit“. Die Geschichten jedes Einzelnen, der sich hier einfindet, ist verständlicherweise höchst individuell. Zeit über Krankheiten und Kuren zu lamentieren, bietet der zeitliche Rahmen des Reha-Sports allerdings nicht.

Hier findet sich keine Jammertruppe zusammen. So unterschiedlich die Vorgeschichte der Damen, und manchmal auch der Herren, die hier angetreten sind, auch sein mögen, eint sie der Wille, den inneren Schweinehund zu überwinden, ihre Anwendungen „in Ehren abzuarbeiten“ und so etwas für die Gesundung und für die Gesundheit zu tun. Insgesamt gibt es beim SV Chemie 16 Reha-Sportgruppen, die neben Antje Hagenau von Brigitte Kabelitz und Marlies Lau angeleitet und auf Trab gebracht werden.

Mein Test, eine Stunde mit dem Reha-Team mitzuhalten, ist jedoch längst eine selbstgewählte Pflichtkür geworden. Denn die 50 Anwendungen, die mir mein Hausarzt verschrieben hat, liegen längst hinter mir und ich habe mich entschieden, als Vereinsmitglied des SV Chemie weiterhin dem Reha-Sport treu zu bleiben. In der Betrachtung des Vereins habe ich so eine Bilderbuchkarriere hingelegt, der gerade über den Reha-Sport versucht, neue Mitglieder zu gewinnen.

Außerdem, das ist der Standardsatz von Vereinschef Fritz Mund auf jeder Mitgliederversammlung: „Sport erfüllt nicht mit 50 Stunden seinen Zweck. Auf die Kontinuität kommt es an.“ Auch Ramona, die zur Sportgruppe gehört, ist diesen Weg gegangen. Ich weiß nicht, wie es meinen Mitstreiterinnen ergeht, aber mit fliegenden Fahnen eile ich gewöhnlicherweise nicht in die Vereinssporthalle. Leise, für mich, schließe ich mich der Meinung meiner Mitstreiterin Astrid an, die kürzlich während einer kleinen Plauderei im Umkleideraum zu mir sagte, dass sie sich fest entschlossen habe, den Sport jetzt durchzuziehen. So machen wir es.

Das gehört einfach dazu: Die wenige Minuten des Umkleidens reichen schon für eine herzliche Tuchfühlung untereinander. Die Güsen-Fraktion, Annett und Ingrid, ist immer gut drauf, Waltraud , die älteste in der Truppe, hat stets ein Lachen parat. „Das letzte Mal war ich krank und konnte deshalb nicht kommen“, erzählt eine andere Sportfreundin.

Schauplatz des Geschehens wird dann die lichtdurchflutete Halle, in der Antje Hagenau gelbe Kegel im Kreis platziert hat. Einem kurzen Willkommen folgt das für Antje Hagenau typische und mit lauter und kräftiger Stimme vorgetragene „Ich möchte...“, dem stets die sportliche Aufgabenstellung folgt. Reha-Sport ist wahrlich nichts für Versehrte, das wird ganz schnell klar. Die gelben Kegel werden schweißtreibend, als wir sie im Schlängellauf passieren, mal vorwärts, mal rückwärts. Laufen auf dem Ballen, Abrollen, Laufen auf der Fußinnenseite - immer zügig um die Kegel herum.

Dann kommen die echt fiesen Koordinationsübungen: rechter Arm auf linkes angewinkeltes Knie, rechtes angewinkeltes Knie auf linken Arm und alles zügig. Antje weiß, dass ich dafür alles andere als eine Spezialistin bin. Und schon hat sie mich wieder am Haken: „Na Simone, wird es denn heute was“, ruft sie heiter. Ich habe jedoch keinen Grund, mich „herausgefischt“ zu fühlen. Ein Kommentärchen ist schließlich für jeden drin - so richtig bierernst geht es nicht zu, auch wenn die Übungen anfangen, anstrengend zu werden.

Mein Blick geht hin und wieder zu meinen Mitstreiterinnen. Etwa zu Ariane, die stets konzentriert den Vorgaben der Übungsleiterin folgt, oder auf Waltraud, eine der Ältesten in unserer Runde, die ich heimlich wegen ihrer Agilität bewundere. Oder Betty, sie ist zwar durch ein Knieleiden deutlich eingeschränkt, findet aber immer gemeinsam mit Antje Hagenau eine Variante, um die Übungen schonend mitzumachen, zur Not auf einem Stuhl sitzend. Respekt.

Auch ich stoße heute mal wieder auf eine meiner Grenzen. Einen 1,5 Kilogramm schweren Medizinball schwingen und mit beiden Händen in die Höhe zu strecken, kann ich gerade noch leisten. Ich versage total, ihn mit den Armen um meine Achse zu drehen. Zum Glück, heute falle ich in der Gruppe damit nicht weiter auf. Nur Cornelia, die hinter mir läuft, lächelt mir verständnisvoll zu. Mein kleiner Misserfolg bringt mich übrigens dazu, einen verstohlenen Blick auf die Uhr an der Stirnseite der Halle zu werfen. Noch 20 Minuten.

Auch die sind aus- und durchgeplant. Ringe im Laufen durch die angewinkelten Beine von innen nach außen und von außen nach innen geben. Immer schön bei aufrechtem Oberkörper. Das alles unter den gestrengen Augen der Übungsleiterin, die Fehler und Unkorrektheiten blitzschnell bemerkt. Dann Aufstellung zu zweit nehmen. Cornelia wird meine Partnerin beim Ringe-Zuwerfen sein. Ringe werfen mit der rechten Hand und mit der linken auffangen. Ringe abwerfen mit der linken Hand und auffangen mit der rechten. Zügig, versteht sich. Cornelia zeigt Stärke und ich versuche - allerdings etwas erfolglos - ihr nachzueifern, so dass ich hin und wieder einen entglittenen Ring nachlaufen muss.

Dann - zehn Minuten vor 18 Uhr - kündigt sich langsam das Finale an. Antje Hagenau lässt zwei Bänke nacheinander aufstellen. Mit zwei Igel-Bällen ausgestattet nehmen wir hintereinander auf den Bänken Platz und gönnen uns mit den Bällen eine entspannende Massage. Vera „fährt die erste Schicht“ auf meinem Rücken, nach dem Seitenwechsel verschafft mir Astrids Rücken ein Betätigungsfeld. Abgetourt. Antje Hagenaus kräftige Stimme schallt punkt 18 Uhr durch die Halle: „Ich danke Euch für die Sportstunde. Bis zum nächsten Mal.“ Bestimmt. Lesen Sie im dritten Teil am Sonnabend, 13. Mai: Redakteurin Kristin Schulze beim Aqua-Jogging.