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Sportserie Prellball: Training für echte Kerle

Welche Sportart ist die richtige? Wir testen uns durch die Sektionen von Genthins größtem und vielseitigstem Verein, dem „SV Chemie“.

Von Falk Heidel 27.05.2017, 01:01

Genthin l Prellball? Nie gehört! Gedanklich gehe ich alle Ballspiele meiner Schulzeit durch. Fuß, Hand, Volley! Passe, Prellball ist nicht dabei. „Macht nichts“, sagt Fritz Mund, als er mich mitnimmt in die Umkleidekabinen der Sporthalle an der Berliner Chaussee.

Die ehrwürdige Sportstätte ist fast vier Jahrzehnte alt. Bei der Einweihung im Oktober 1979 waren meine Prellball-Mitspieler schon im gestandenen Sportleralter. Uli Seidel zum Beispiel reicht vor dem Trainingsstart eine Runde Kräuterschnaps in Miniflaschen rum - nachträglich zum 73. Geburtstag. Prost! „Das ist hier Tradition“, sagt Fritz Mund, „wer Geburtstag hat, gibt einen aus.“ Aber es bleibt bei diesem einen Fläschchen. Bei Anwurf ist Schluss mit lustig.

Ich stehe auf einem Volleyballfeld und lasse mir von den Prellballern die Regeln erklären. Das Spiel ist eine Mischung aus Volleyball und Tischtennis. Spielgerät ist ein Volleyball. Der Prellballer schlägt die Kugel mit der Faust nach unten. Angabe wie beim Tischtennis. Wie beim Volleyball kann eine Mannschaft den Ball dreimal spielen, eher er die Seite wechseln muss. Wird der Ball innerhalb der Mannschaft zugespielt, darf er zweimal auftippen.

In Norddeutschland gibt es eigene Ligen für diese Sportart. Dort werden die Spielhälften von Volleyballnetzen getrennt. „Es gibt auch richtige Prellbälle“, sagt Fritz Mund. Doch die Genthiner Truppe bevorzugt die leichteren Volleybälle. Statt der Netze stehen Sportbänke in der Mitte. Ein Dutzend Mitspieler bilden die Prellballtrainingsgruppe des SV Chemie. Heute sind es nur sechs Mann.

Zum Beispiel Klaus Friedrich. Der 80 Jahre alte Genthiner muss auf die Frage, wie lange er schon Prellball spielt, eine Weile überlegen: „15 Jahre mindestens, vielleicht auch 20.“ Dabei war er in jungen Jahren nie die große Sportskanone: „Doch mit den Jahren habe ich gemerkt, dass mir die Aktivität gut tut.“ Zweimal die Woche geht er zum Prellballtraining: „Ansonsten bin ich jeden Tag mit dem Hund unterwegs.“ Aktuell ältester Prellballer mit 81 Jahren ist Horst Uckert, der heute allerdings anderweitig unterwegs ist. Ebenso wie Klaus-Peter Derz, der zu den besten Langstreckenläufern in Sachsen-Anhalt gehört.

Mit 15 Punkten ist ein Satz gewonnen. Doch in den ersten drei Sätzen gehöre ich regelmäßig zu den Verlierern. Die Jungs haben es drauf, während ich mich als ehemaliger Fußballer an die Prellball-Motorik gewöhne. Wie beim Volleyball gibt es versierte Angriffsspieler wie Manfred Schneider und Jürgen Dalchow. „Ich bin eher der Zuspieler“, sagt Fritz Mund, während mich Michael Kämmerer mit seinem Spielwitz begeistert. Er ist erst seit einem Jahr dabei: „Wolfgang Schulz hatte mich gefragt, ob ich nicht Interesse hätte.“

Stichwort Interesse: Neue Gesichter sind bei den Prellballern jederzeit willkommen: „Das ist ein echter Sport für Männer“, sagt Fritz Mund, „wer ein wenig Ballgefühl mitbringt, findet sehr schnell einen Zugang zu diesem Spiel.“ Interessierte können sich im Sportbüro des SV Chemie melden (03933/805580). Oder sie kommen zu den Trainingszeiten vorbei - montags 13 Uhr in der Uhlandsporthalle oder donnerstags 10 Uhr Berliner Chaussee.

Die Genthiner Prellball-Tradition geht in die 50er Jahre zurück. Fritz Mund erzählt von Turnvater Näsert, der dieses Spiel als Ausgleich zu den Turnübungen in das Training integrierte: Genthin war einst eine Turnhochburg. Auch Rolf Hoppe gehört zu den Chemie-Akteuren, die diesen Sport einst betrieben. Nach der Wende hatte Siegfried Eschke die Trainingsgruppe ins Leben gerufen. Fritz Mund: „Wir hatten damals viele sportliche Damen-Gruppen und wollten ein Training für echte Kerle etablieren.“