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Steuern Der Klage folgt ein Klagelied

Ein Gerichtsverfahren zu Steuererhöhungen sorgt für Diskussionen zwischen der Stadt Genthin und den Ortschaften.

Von Simone Pötschke 18.09.2018, 01:01

Genthin l In den letzten Minuten der jüngsten Hauptausschusssitzung zog Franz Schuster (Ländliche Wählergemeinschaft Fiener) einen sorgsam aus der Volksstimme ausgeschnittenen Beitrag aus seinen Unterlagen, glättete ihn mit der flachen Hand und holte tief Luft, um dann zum Rundumschlag anzusetzen.

Die Berichterstattung über die zu erwartende Rückzahlung der zuviel gezahlten Steuern lag ihm schwer im Magen. Darum ging es: Nachdem sich Kläger aus Schopsdorf, Gladau und Paplitz erfolgreich gegen die Erhöhung der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer für die Jahre 2016 und 2017 durchgesetzt hatten, gibt es bisher offiziell noch keine Verlautbarung, wer jetzt auf Rückerstattung hoffen darf.

Nur die Kläger oder auch die Einwohner, die Widerspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt haben, oder gar die Einwohner der kompletten Ortschaften?

Kreissprecherin Claudia Hopf-Koßmann favorisierte gegenüber der Volksstimme jedenfalls ausschließlich die Kläger, was Franz Schuster als „unmöglich und unzutreffend“ bezeichnete.

Schließlich - und das blieb bisher zumindest öffentlich unerwähnt - gebe es nach Schuster eine Vereinbarung unter den Rechtsanwälten der Prozessparteien, wonach die Kläger vor Gericht auch im Namen jener Bürger auftreten, die in Widerspruch zum Steuerbescheid gegangen sind. Demnach müssten auch diese Bürger die zuviel entrichteten Steuern zurückbekommen.

Ein verärgerter Franz Schuster sah sich damit Stadträten gegenüber, die über eine solche Vereinbarung nicht informiert sind. Auf Schusters Worte folgte zunächst einmal keine Erwiderung, sondern nur eine vorsichtige Zurückhaltung.

Offensichtlich war in den Fraktionen darüber beraten worden, ob die Stadt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg in Berufung gehen sollte. Die CDU-Fraktion habe sich dagegen ausgesprochen, merkte Andreas Buchheister daraufhin kurz an. „Wir plädieren dafür, das Urteil zu respektieren“, sagte er.

Eigentlich, erwiderte daraufhin Heinrich Telmes (Pro Genthin), habe er gedacht, „dass wir schon einen Schritt weiter sind. Mich würde schon interessieren, wann wir genau wissen, was das Gerichtsverfahren der Stadt kostet.“

Bürgermeister Matthias Günther (parteilos), der die Beratung leitete, musste an dieser Stelle passen. Er habe sich noch nicht mit dem Vorgang vertraut machen können, sagte Günther, der am 1. Juli sein Amt angetreten hatte.

„Zur nächsten Sitzung brauchen wir endlich klare Antworten“, resümierte Lutz Nitz (Die Grünen). Hat es eine Sammelklage gegeben, hat der damalige Bürgermeister eine solche Sammelklage bestätigt?

Die Verwaltung sollte sich mit dem Rechtsanwalt, der die Stadt bei dem Verfahren vertreten hat, ins Benehmen setzen, so dass er Rede und Antwort stehen kann“, warb Nitz letztlich erfolgreich um Zustimmung bei seinen Stadtratskollegen.

Rückblende: Im September 2016 hatte die Stadt Genthin die Hebesätze für das gesamte Gemeindegebiet auf 420 Prozent (Grundsteuer B) bzw. auf 370 Prozent (Grundsteuer A) festgesetzt und damit die für Paplitz und Gladau seit der Eingliederung geltenden Hebesätze (300 Prozent für die beiden Steuerarten) erhöht.

Das Verwaltungsgericht hob die Grundsteuerbescheide auf.

Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, dass die Gebietsänderungsvereinbarungen entgegen der Auffassung der Stadt die Weitergeltung der Hebesätze bis zum 31. Dezember 2018 vorsehen. Ein Recht der Stadt, vorzeitig – insbesondere im Hinblick auf die Pflicht zur Haushaltskonsolidierung – die Hebesätze zu erhöhen, ergab sich nach Auffassung des Gerichtes weder aus der Gebietsänderungsvereinbarung noch aus den gesetzlichen Regelungen zur Anpassung öffentlich-rechtlicher Verträge.