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Tischlerei Handwerk in fünfter Generation

Chris Kienscherf will die Tradition der 110-jährigen Tischlerei Kienscherf aus Altenplathow fortführen.

Von Mike Fleske 29.07.2019, 01:01

Altenplathow l Stolz präsentiert Chris Kienscherf sein Gesellenstück. Ein Unterschrank für ein Aquarium. Auf der Grundlage eines sogenannten S-Korpus gearbeitet, ist der massive Schrank aus Kiefernholz mit Schranktüren und Schubladen versehen. „Die Schubladen haben noch eine Besonderheit“, macht Kienscherf aufmerksam. Denn sie laufen auf ebenfalls selbst gebauten hölzernen Schienen. „Bei gekauften Schränken sind diese Teile aus Kunststoff oder Metall, hier ist auch im Kleinen mit Holz gearbeitet worden“, fügt Tischler Clemens Parisius hinzu, der die Entstehung des Gesellenstückes begleitet hat. Selbst die Rückwand ist aus massivem Holz.

 „Es ist ein echtes Unikat“, sagt Chris Kienscherf, der auf die Idee zum Bau eines Unterschranks durch sein Interesse für Aquarien kam. Mit dem Gesellenstück hat der 24-Jährige jüngst seine Prüfung als Tischler bestanden. Als zusätzliches Werkstück musste er noch eine Innentür mit Schließmechanismus vorlegen. „Für die Prüfung muss man gewisse Fähigkeiten vorweisen, nur mit dem Schrank wäre das nicht gegangen.“

Mit dem Abschluss in der Tasche macht Chris Kienscherf einen weiteren Schritt in den Familienbetrieb in Altenplathow. „Wir freuen uns, dass er sich dazu entschlossen hat“, sagt Carsten Kienscherf, der gemeinsam mit seiner Frau Brita die Geschicke des Betriebes lenkt. Beide sind sichtlich stolz, dass ihr Sohn seine Prüfung gemeistert und sich dem Handwerk verschrieben hat.

In den kommenden Jahren wird das Ehepaar Kienscherf noch wie bisher im Einsatz sein und sich dann Stück für Stück zurückziehen. „Man hört heute oft, dass Familienunternehmen aufgeben müssen, weil keine Nachfolger gefunden wird. Wir freuen uns, dass es bei uns anders ist.“ Lange sah es gar nicht danach aus, das der Junior in den elterlichen Betrieb einsteigt.

110 Jahre alt ist der Betrieb in diesem Jahr alt geworden und in Altenplathow eine echte Institution. Doch noch vor zehn Jahren konnte sich Chris, damals 14 Jahre alt, überhaupt nicht vorstellen, einmal in die Fußstapfen seiner Familie zu treten. So wurde er nach der Schule zunächst Industriekaufmann, arbeitete bei einem Autozulieferer in Thüringen und sattelte mit dem Europakaufmann auf die Ausbildung auf. „Aber ich konnte mir nicht vorstellen, einen reinen Bürojob zu machen.“ Plötzlich wurde der elterliche Betrieb wieder interessanter. Vater Carsten habe eine gute Balance zwischen Büro und Außeneinsätzen. „Auch wenn zum Alltag in erster Linie die Einrichtung von Fensterläden, Türen, Einbauschränken, Wintergärten gehört, gibt es immer wieder auch kleine Besonderheiten“, sagt Chris. So habe die Firma derzeit Holzbänke und Tische für ein grünes Klassenzimmer in Arbeit.

Außerdem hat der Mittzwanziger nicht nur seine Wurzeln in Altenplathow, sondern hier mittlerweile auch eine Familie mit Frau und zwei Kindern. Grund genug, eine gewachsene Betriebstradition fortzuführen, die 1909 mit der Gründung des Unternehmens durch Ferdinand Kienscherf in der Altenplathower Chausseestraße begann. Im Laufe der Jahrzehnte führen dessen Sohn und Enkel Alfred und Lothar die Firma. Diese übersteht die Wirren zweier Weltkriege und auch die DDR-Zeit mitsamt Mangelwirtschaft.

Kurz nach der Wende übernahm Carsten Kienscherf die Firma und führte diese in die Marktwirtschaft. 1992 begann die Zusammenarbeit mit dem U.P.R.-Fensterwerk Braunschweig, weshalb das Altenplathower Unternehmen seit 2002 unter dem Namen U.P.R-Kienscherf GmbH firmiert.