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Übung Feuerwehren im Einsatz gegen die Zeit

Eine realistische Übung haben Ortsfeuerwehren der Stadt Jerichow am Zabakucker See absolviert.

Von Thomas Skiba 16.10.2019, 04:00

Jerichow l Die Alarm-Sirene war am Abend des 11. Oktober überall im Gebiet der Einheitsgemeinde Jerichow zu hören. Kurz darauf sind die Sirenen anrückender Feuerwehren zu vernehmen. Das erste Fahrzeug rast an die Schranke. Martin Lippelt, Ortswehrleiter der Zabakucker Feuerwehr, springt heraus und öffnet den Notknopf der Schranke, schon rollt der Lkw weiter. Als erster vor Ort verschafft sich Lippelt einen Überblick über das Szenario – die Übung der Feuerwehren beginnt. Lippelt meldet an die Einsatz-Zentrale: Ein Pkw mit zwei Personen, davon ein Kleinkind, ist verunfallt und liegt auf der Seite.“ Kurz danach treffen weitere Einsatzfahrzeuge ein und stellen sich der zweiten Übungslage: dem Retten und Bergen von Personen aus einem Gebäude unter Atemschutz.

Dunkler Rauch zieht aus den Fenstern und dem offenen Eingang des Lagergebäudes auf dem Touristenzentrum Zabakuck. Feuerwehrmänner legen ihre Atemschutzgeräte an, dabei kontrollieren sich die Frauen und Männer gegenseitig – „Das alles sitzt.“ Zeitgleich bauen andere Kameraden eine Saugleitung auf. „Das Saugrohr müssen wir mit einem Sieb versehen“, erklärt der Ortswehr Leiter von Roßdorf, Maik Dietrich. Würden sie einfach so das Wasser aus einem freien Gewässer nehmen, könnte Schlamm und Kraut die Armaturen, Schläuche und Kupplungen verstopfen und so den Löscheinsatz zum Erliegen bringen, erklärt der Feuerwehrmann.

Mit mehreren Lösch- Trupps sichern sie das Gebäude mit einem Sprühstrahl nach allen Seiten ab, um so zu verhindern, dass der Brand überspringt. Der erste Trupp dringt in das aus allen Öffnungen qualmende Haus ein, über Funk meldet der Truppführer das Absuchen Raum für Raum ab.

Einige Schritte neben dem Gebäude halten zwei Kameraden A4 große Bretter in den Händen: Damit überwachen sie die Einsatz-Dauer des Trupps unter Atemschutz. „Der Trupp muss nach zehn Minuten die erste Meldung über den Druck und die Restdauer der Einsatz-Zeit geben“, erklärt der zweite stellvertretende Stadtwehrleiter Dirk Bothur, im Szenario eingesetzt als Einsatzleiter für die Übung.

„Mit einer rückwärtsgehenden Uhr legen wir die Meldezeit fest.“ Das habe sich bewährt, gehe doch sonst die für den Trupp überlebenswichtige Meldung in der Hektik des Einsatzes unter. „Sollte es zu einem plötzlichen Druckabfall bei einem der Kameraden kommen, steht ein Sicherheitstrupp bereit, um den Kameraden zu bergen.“

Die erste vermisste Person wurde gefunden, sofort geht eine Meldung an den Einsatzleiter raus. Keuchend schleppen die Männer den Verletzten heraus. Sie werden einige Meter weiter bereits von Ersthelfern erwartet. Sofort beginnt die Erste Hilfe in einer Art Freiluft-Lazarett. Doch zwei Personen vermisst man noch – also geht es nochmal hinein für die mutigen Feuerwehrleute.

Während sich der erste Angriffstrupp der Kameraden eine Pause nimmt, stößt die zweite Welle tiefer in das Lagergebäude. Sie finden den Verletzten. Doch plötzlich müssen sich die Kameraden um sich selbst kümmern, denn plötzlich kollabiert ein Feuerwehrmann unter den Anstrengungen und muss schnell außer Gefahr gebracht werden. Hastig versuchen die Kameraden die Maske vom Gesicht zu ziehen und den Mann in die stabile Seitenlage zu bringen, der Gruppenführer überblickt die Lage und schon stößt ein neuer Trupp in das Gebäude… So gestaltete sich eines von zwei Szenarien bei der Einsatzübung unter Führung der Freiwilligen Feuerwehr Stadt Jerichow.

„Wir haben nicht alle Ortswehren alarmiert“, betont der stellvertretende Stadtwehrleiter Patrick Hegewald und erklärt, „Wir brauchen Beobachter, die den Ablauf und den Einsatz insgesamt im Blick haben.“ Bei dieser Übung seien die Freiwilligen Feuerwehren der Klitsche-Stremme-Region gefordert, so Hegewald und „die handeln heute.“ Damit wollen die Jerichower Kameraden Erkenntnisse gewinnen, so etwa ob die Kommunikation über Funk funktioniere oder das die kameraden in plötzlich auftretenden Situationen die Oberhand behalten.

Gemeinsam mit den Feuerwehrleuten der Ortswehren Kade, Redekin und Wulkow präparieren die Beobachter das Lagerhaus, in dem sie sogenannte Dummys mit 80 Kilogramm Gewicht auslegen, die in Gestalt und Gewicht einen Menschen simulieren und durch die übende Truppe gefunden als auch gerettet werden müssen. Eine Nebelmaschine verqualmt die Räume, vor dem Haus wird mittels einer Warnlampe ein Feuer dargestellt.

„Das Handeln und Vorgehen in der Übungslage wird überprüft und dafür sollten die Bedingungen möglichst realistisch abgebildet werden“, so Sven Koch, Ortswehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Kade und jetzt als Beobachter und Schiedsrichter eingesetzt. Doch er nimmt noch eine Aufgabe im Szenario wahr – die des Arzttrupps. Das heißt für Koch, dass er die Erstversorgung der Dummys überprüft und entscheidet: „Alles richtig gemacht – der Mensch überlebt.“

Dazu prüft Koch unter anderem, ob die Wiederbelebung nach dem Schema 30-mal Herzdruckmassage, danach zweimal Atemspende, eingehalten wird oder dass Kopfschiene und Trage richtig angelegt werden. „Selbst die stabile Seitenlage muss immer geübt werden und in Fleisch und Blut übergehen.“

Die Frauen und Männer aus Brettin, Roßdorf, Zabakuck, Altenklitsche, Neuenklitsche, Kleinwusterwitz und Schlagenthin sind den Herausforderungen zweier gleichzeitiger Szenarien gewachsen und schlagen sich wacker. „Wir haben die Übung extra so gestaltet, dass sie in der Dämmerung beginnt und so auch die Dunkelheit beim Lösen der Aufgaben zu berücksichtigen ist“, so Hegewald. Denn auch das richtige Ausleuchten des Einsatzortes will gelernt sein und vor allem immer wieder geübt werden.

Schweres Gerät muss Gruppenführer Lippelt beim Autounfall einsetzen: Rettungsschere, Rettungsspreizer und massive Keile. Die Männer an den Geräten kommen ins Schwitzen, denn das Dach ist wegzuschneiden. Im Hintergrund und doch der wichtigste Mann: Michael Graf. Er muss die Hydraulikpumpe bedienen und den Schalter umlegen, je nachdem ob Schere oder Spreizer benötigt werden. Erst durch das exakte Regulieren entfalten sich die Kräfte, die die Männer brauchen, um die Säulen am Dach des Pkw zu durchtrennen.

Jerichows Stadtwehrleiter Ralf Braunschweig steht an der Lage-Tafel, das Funkgerät vor dem Mund, und nimmt die Meldungen der Gruppenführer mit Zeit und Ort entgegen. Immer wieder schaut er mit kritischem Blick, wie der Rettungseinsatz auf dem Gelände des Touristenzentrums verläuft. „Es muss alles geordnet zugehen“, so seine Devise.

Um bei Großschadensereignissen nicht den Überblick zu verlieren, bildet die Feuerwehr hier in der Regel Einsatzabschnitte. Untergliederte Einsatzleitungen beschäftigten sich dann einzeln mit der Brandbekämpfung oder Rettung von Personen aus Pkwoder Häusern. Durch das Aufsplitten in Abschnitte werden die Einsatzkräfte effektiver geführt, der Führer vor Ort entscheidet. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass an der Einsatzstelle auch ausreichend Führungskräfte zur Verfügung stehen und die Kommunikation zwischen den einzelnen Ebenen beherrscht wird.

„Besonders im Blick haben wir das Umsetzten der Funkordnung“, erklärt Beobachter Franz Bolle von der Redekiner Wehr. Hier sind Sprachdisziplin und das genaue Melden der Geschehnisse Grund, um genauer hinzuschauen. Gerade die mittlere Führungsebene, die Gruppenführer, müssen in alle Richtung Verbindung halten. Das heißt: einerseits zu den Truppführern, andererseits zu dem Einsatzleiter. „Da ist eine praktikable Funkordnung, die auch unter Stress und Hektik besteht, von entscheidender Bedeutung.“

Die durchaus herrschende Anspannung ist gewollt, dass wäre in einem „scharfen“ Einsatz nicht anders. Nur mit einem Unterschied – hier darf jeder Fehler machen oder auch eine unzweckmäßige Entscheidung treffen. „Wir halten auf unseren Protokollblättern alles fest, was uns auffällt“, schildert Bolle. Das werde dann durch die Ortswehrleiter ausgewertet und in der Ausbildung umgesetzt.