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Zecken  Winzig und gefährlich

Durch den milden Winter sind Zecken im Jerichower Land bereits aktiv. Damit steigt die Gefahr von Krankheitsinfektionen.

Von Mike Fleske 02.03.2020, 08:00

Genthin/Burg l Sie sind winzige Blutsauger mit acht Beinen. Ihre Opfer finden sie durch deren Körperwärme und Geruch. Sie haben kaum natürliche Feinde und können durch ihren Biss gefährliche Krankheiten auf den Menschen übertragen. Die Rede ist von Zecken (landläufig oft auch gemeiner Holzbock genannt). Der Winter 2019/20 war und ist zu mild. Das zeigt sich auch in der Tierwelt. In vielen Gebieten Deutschlands wird mittlerweile festgestellt, dass Zecken ganzjährig aktiv sind. Die Spinnentiere sind Überträger von Krankheiten wie Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

Die Sorge, dass die Zahl der Erkrankungen in diesem Jahr steigt, wird von vielen Experten geäußert und auch vom Amtsarzt des Jerichower Landes, Dr. Henning Preißler, geteilt: „Im Jahr 2018 gab es im Landkreis 39 meldepflichtige Borreliose-Erkrankungen, im Jahr 2019 waren es 48.“ Die Zahl der positiven Borreliose-Nachweise ohne akute Infektionszeichen liege jeweils deutlich höher. In diesem Jahr sei bereits ein meldepflichtiger Fall (positiver Erregernachweis und Erythema migrans = Wanderröte) aufgetreten. „Was für die Wintermonate sehr ungewöhnlich ist.“

Die Zahlen der gemeldeten Erkrankungen der vergangenen beiden Jahre bekommen noch einmal eine neue Dimension, wenn man sie mit länger zurückliegenden Zahlen vergleicht. In den Jahren 2003 bis 2007 mit zum Teil recht heißen Sommern lag die Zahl der gemeldeten Fälle bei nur 24 oder 25 im Jahr.

Mittlerweile gibt es auch ein weiteres Problem: Zugewanderte Arten. Der Jenaer Zeckenforscher Jochen Süss verwies kürzlich im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur auf Hyalomma-Zecken, die eigentlich in Nordafrika, Südeuropa und Regionen Asiens heimischen sind. Sie seien schon in der Vergangenheit durch Vögel eingeschleppt worden, hätten dann aber den Winter nicht überlebt. „Jetzt schaffen sie es, auch in Deutschland ihren natürlichen Zyklus vom Ei über die Larve und Nymphe hin zum erwachsenen Tier zu durchlaufen.“

Diese Zecken können das Krim-Kongo-Fieber-Virus übertragen. Eine Infektion mit diesem Virus ruft eine Erkrankung hervor, die häufig als hämorrhagisches Fieber verläuft und tödlich enden kann. In Deutschland wurden bisher nur vereinzelte eingeschleppte Fälle nach Reisen bekannt. Für FSME-Risikogebiete wird eine Schutzimpfung empfohlen; gegen die von Bakterien übertragene Borreliose gibt es keinen zugelassenen Impfstoff.

Oft hilft nur Vorbeugen und Vorsicht. Cynthia Pietsch-Stein, Regionalgeschäftsführerin der Barmer-Krankenkasse in Stendal, rät bei der Gartenarbeit oder Waldspaziergängen an den Bünden abschließende Kleidung, Socken und geschlossene Schuhe zu tragen. „Das ist eine durchaus wirkungsvolle Möglichkeit, sich vor Zecken zu schützen.“ Und Achtung: Mittlerweile kämen Zecken nicht mehr nur in Wäldern und hohen Gräsern vor, sondern auch in Kleingärten und in Parkanlagen.

Nach einem Tag im Freien solle man den Körper absuchen, besonders an Achseln, Ellen- und Leistenbeugen sowie am Hals. Eltern sollten dies zudem bei ihren Kindern machen. Habe eine Zecke zugestochen, gebe es keinen Grund zur Panik. „Zum einen trägt bei weitem nicht jede Zecke Borrelien in sich. Zum anderen muss die Zecke eine Zeitlang saugen, bevor der Erreger übertragen wird. Das Risiko dafür steigt nach zwölf Stunden“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer.

Dennoch sollten Zecken möglichst umgehend mit einem geeigneten, eng an der Haut angelegten Hilfsmittel gerade ohne Drehbewegung herausgezogen werden. Je nach deren Größe eigneten sich Splitterpinzetten, Zeckenkarten oder eine Zeckenschlinge. „Während die Zecke entfernt wird, sollte man den Leib nicht quetschen, da sonst Erreger in die Wunde gepresst werden können“, rät Marschall.

In der ersten Zeit nach dem Zeckenstich solle man die Eintrittsstelle genau beobachten. Häufig zeige sich nach zwei Wochen eine wachsende Hautrötung ohne Beschwerden. Diese Wanderröte verschwinde oft von allein, doch die Borreliose bleibe. Spürbare Symptome träten mitunter erst nach Monaten auf und ähnelten einer Grippe. „Wenn sich nach einem Zeckenstich die Wanderröte bildet oder später Grippesymptome einstellen, sollte man dringend zum Arzt gehen und ihn über den Zeckenstich informieren. Bleibt eine Borreliose unbehandelt, drohen chronische Entzündungen von Gelenken, Rückenmark und Gehirn“, sagt Marschall.