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Bomben-Entschärfer Routine kann tödlich enden

Dieter Schwarz und Torsten Kresse haben in Halberstadt die Zweieinhalb-Zentner-Bobe unschädlich gemacht.

Von Dennis Lotzmann 14.08.2015, 01:01

Halberstadt l Im ersten Leben war Dieter Schwarz Nachrichtenelektroniker. Mit der Wende kam auch für ihn ein beruflicher Bruch mit dem Zwang zur Neuorientierung. Der damals 35-Jährige schlug eine Richtung ein, die keineswegs alltäglich ist. Manche sagen: Himmelfahrtskommando. Der 60-Jährige selbst spricht von einem Job wie Dachdecker oder Lkw-Fahrer und stellt eines klar: „Wenn man nicht aufpasst, kann überall was passieren.“ Doch wenngleich er tief stapelt, ist sein Beruf mit überdurchschnittlichem Risikofaktor verbunden. Dieter Schwarz ist Sprengmeister beim Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes. In der Nacht zum Donnerstag ist er zusammen mit Torsten Kresse in die Baugrube gestiegen, um der kurz zuvor gefundenen amerikanischen Zweieinhalb-Zentner-Fliegerbombe für immer den Schrecken zu nehmen.

Ein Routinejob für die beiden Experten? „Keinesfalls“, betont Schwarz. „Das ist nie Routine und darf auch niemals eine solche werden.“ Jede Bombe „ticke“ anders. So auch jene in Halberstadt. „Wir hatten schon mächtig zu tun, um den Zünder rauszuschrauben.“

Bombenentschärfer greifen dabei üblicherweise zur Rohrzange. Was auf den ersten Blick unkompliziert klingt, ist zuweilen ein Kraftakt. „Bei amerikanischen Bomben wie dieser sind Zünder und Bombenkörper aus Metall und verrosten in den Jahrzehnten richtig fest miteinander“, plaudert er aus. Die Briten hätten korrosionsbeständigere Messingzünder verbaut. Zur Erschwernis Nummer eins sei beim nächtlichen Einsatz in Halberstadt eine zweite hinzugekommen: „Als wir fertig waren, haben wir gesehen, dass die Bombe vom Aufprall gestaucht und das Gewinde verzogen war.“ Egal: Nach knapp einer Stunde waren Dieter Schwarz und Torsten Kresse am Ziel und hatten Bombe und Zünder voneinander getrennt.

Wie viele Erbstücke aus den Weltkriegen er in seinen gut zwei Jahrzehnten beim Kampfmittelbeseitigungsdienst schon unschädlich gemacht hat, kann der passionierte Hobby-Aquarianer nicht sagen. „Unser Spektrum ist breit gefächert – angefangen bei der Geländesondierung über das Sprengen von Fundmunition bis hin zur Entschärfung oder dem Abtransport und der Spengung derartiger Bomben.“ Gezählt habe er nicht. In diesem Jahr seien es bislang sechs bis sieben Bomben vergleichbaren Kalibers gewesen, die die aktuell acht Sprengmeister im Land unschädlich gemacht hätten.

Gibt es auch Momente mit Angst? „Angst darf man nicht haben, ebensowenig wie Überheblichkeit. Dann passieren Fehler. Vor jedem Fundstück – egal, ob groß oder klein – muss man Respekt haben“, sagt der 60-Jährige. Dann sei ihr Job nicht gefährlicher als andere. „Ein Dachdecker kann auch verunglücken, wenn er nicht aufpasst“, lautet seine Devise.

Dass die Entschärfung in der Nacht zum Donnerstag bis zwei Uhr dauerte, sei der langen Evakuierungszeit geschuldet gewesen. Kritik, dass man mit Evakuierung und Entschärfung bis Donnerstagmorgen hätten warten sollen, teilt Schwarz nicht. „Wenn wir da sind, wollen wir die Gefahr schnell beseitigen. Außerdem hätte man auch am Tag evakuieren müssen, nur mitten im Berufsverkehr. Obendrein sollte man unsere Situation sehen: Für uns waren die Rahmenbedingungen in der Nacht ideal. Bei 30 Grad und praller Sonne ist so eine Entschärfung sehr viel anstrengender“, sagt der 60-Jährige und erinnert an das Credo: „Wir wollen, dass die Leute zufrieden wieder nach Hause gehen.“

Und dafür sind die landesweit acht Sprengmeister notfalls rund um die Uhr hellwach und einsatzbereit.