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Kleingärtner Apfeldetektiv liebt Goldparmäne

Der dritte Kleingärtnertag in Halberstadt ist auf großes Interesse gestoßen.

Von Gerald Eggert 14.09.2015, 23:01

Halberstadt l Schaut man sich die Äpfel in den Regalen der Obstabteilungen in den Einkaufsmärkten an, könnte man meinen, es gebe nur ganz wenige Sorten. Die einen sind etwas rotbackiger, die anderen halt etwas weniger. Und alle haben eine Größe und Farbe – genormte Tausendlinge sozusagen.

Dabei gibt es Äpfel aller Couleur: rote, gelbe und grüne, große und kleine, süße oder eher sauere. Die Auswahl ist breit gefächert – in Deutschland sind aktuell rund 1500 Sorten bekannt. Das klingt viel, ist aber wenig im Vergleich zur Vergangenheit. Um 1880 herum waren allein in Preußen über 2300 Sorten bekannt und wurden kultiviert.

Dies und noch sehr viel mehr erfuhren Gärtner aus dem Harzkreis und darüber hinaus, die am Sonnabend zum dritten Kleingärtnertag nach Halberstadt gekommen waren, um Obst aus dem eigenen Garten exakt bestimmen zu lassen. Interessiert hörten sie dem Pomologen – sprich: Obstbaumkundler – Walter Janovsky zu, der aus Kayna bei Zeitz angereist war. Der Kofferraum seines Autos war ein fahrendes Obstlager – vollgepackt mit Kisten mit den verschiedensten Apfelsorten. Etwa 140 Paare reihte der Apfeldetektiv auf einem langen Tisch auf und versah sie mit Schildern mit den wichtigsten Informationen.

Diese Vielzahl und Vielfalt verschlug sogar einigen Harzer Kleingärtnern den Atem. Ein Grund mehr, über den Experten etwas mehr erfahren zu wollen, als nur etwas über die mitgebrachte Sorte aus dem eigenen Garten.

Walter Janovsky, studierter Biologielehrer und längst im Ruhestand, berichtete von einem Projekt, das er vor Jahren ins Leben gerufen hat. Als in der Gartenanlage „Schnaudertal“ in Kayna zunehmend Parzellen frei und nicht mehr bewirtschaftet wurden, überzeugte er den Spartenvorstand, die Flächen von alter Bebauung zu befreien und zu kultivieren. So entstand in mehr als einem Dutzend Sortengärten ein wahres Apfelparadies mit 400 Bäumen und 500 Sorten.

400 Bäume mit 500 Sorten – wie soll das bitteschön funktionieren? Ganz einfach: das Zauberwort heißt Veredelung und besteht darin, einem Baum mit mehreren Sorten zu kultivieren. „Mit einem Apfelbaum, auf dem ich 29 verschiedene Sorten aufgepfropft habe, schaffte ich es sogar in die Fernsehsendung ,Außenseiter-Spitzenreiter‘“, verriet er seinen aufmerksamen Zuhörern.

Innerhalb von nur vier Jahren hatte der Experte so aus einem Apfelbaum der Sorte „Carola“, der 1977 in einem der Gärten angepflanzt worden war, einen Baum mit 30 Apfelsorten entstehen lassen. Diesen stattlichen Mehrsortenbaum bezeichnet er nun als „Parkplatz“ für Sorten, die entweder kaum noch existieren, die neu bestimmt werden müssen oder deren Entstehungswege noch herauszufinden sind.

Immer ist Janovsky vor allem alten und seltenen Sorten auf der Spur. Längst hat er dem Baum noch andere Sorten aufgepfropft, weitere sollen folgen. Walter Janovsky, der nicht nur jede Sorte akribisch begleitet, deren Wuchs beobachtet und die Äste kartiert, an denen er neue Sorten aufgepfropft hat, zelebriert natürlich auch den Geschmackstest und bewertet das Aussehen.

„Leider haben die Normen für Apfelgröße und -aussehen die Früchte der Obstwiesen aus den Regalen der Supermärkte verdrängt“, bedauert er. „Am besten schmeckt mir persönlich die Goldparmäne, eine alte deutsche Sorte. Sie ist sehr süß und verfügt über ein unverkennbares Aroma“, sagt der „Herr der Äpfel“. Er selbst esse täglich zwei, drei dieser leckeren Früchte und versorge auch Kinder und Enkel reichlich mit Obst. Statt Pralinen verschenke er lieber eine Kiste Äpfel, betont der leidenschaftliche Pomologe.

Den Besuchern, die sich mit Hilfe der Apfel-Ausstellung beim Kleingärtnertag schon mal selbst in der Bestimmung versucht hatten, erklärte er, dass es drei Schwierigkeitsstufen gebe, um eine Sorte zu bestimmen. Neben der Beschreibung, einem Bild oder zwei Exemplaren zum Ansehen, könne man auch aus Wuchs, Ernte- und Verzehrzeit, Punkten, Farbe sowie Flecken und sogar aus den Kernen etwas ablesen. Deshalb hat Janovsky auch seine umfangreiche Kernsammlung zum Vergleichen im Gepäck.

„Wissen Sie, dass es auch einen Apfel gibt, der den Namen ihrer Stadt trägt“, fragte er in die Runde und erntete ein mehrfaches Nein. Der „Halberstädter Jungfernapfel“ sei eine in Sachsen-Anhalt und im Südharz früher weit verbreitete Sorte gewesen. Dabei gilt der große, rundliche und leuchtend rot gestreifte Tafelapfel als sehr gute Wirtschaftssorte. Im Supermarkt sei er nicht zu finden, obwohl er ausgezeichnet schmecke und sich gut zum Saften eigne.

Auch für Birnen hat Janovsky einige Tipps parat. Er empfiehlt speziell die Sommerbirne „Williams Christ“. Allerdings sei diese Sorte inzwischen leider aus der Mode gekommen und kaum noch zu finden.

Neben der Obstbestimmung und der Vermittlung von Wissenswertem gab der Experte Tipps zum Anbau sowie zur Pflege, Düngung und Veredlung von Obstbäumen und zur Schädlingsbekämpfung.

„Der Obstexperte war ein gefragter Mann auf unserem gut besuchten Gärtnertag“, schätzte Walter Ludwig am späten Nachmittag ein. Der Vorsitzende des Halberstädter Regionalverbandes der Gartenfreunde freute sich über den enormen Zuspruch.

Er vermisste einige Vereinsvorstände und bedankte sich bei allen Akteuren, die Stände betreut und Vorträge gehalten haben.