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Ausstellung Ansturm auf Halberstädter Zeitgeschichte

Als Publikumsmagnet ist die Ausstellung „Halberstadt in Licht und Schatten. Zerstörung. Verfall. Erneuerung.“ gestartet.

Von Jörg Endries 03.10.2015, 09:05

Halberstadt l Brechend voll ist die Galerie im Kunsthof am Mittwoch. Selbst Stehplätze sind Mangelware. Eine Ausstellung zieht Halberstädter in ihren Bann, die an diesem Tag eröffnet wird. Im Mittelpunkt stehen 70 Jahre Stadtgeschichte und -entwicklung, die an Spannung kaum zu übertreffen ist. Extreme haben sie geprägt: Bombenzerstörung, Wiederaufbauwille trotz Mangelwirtschaft und Hunger, Verfall, Gesichtslosigkeit. Dann der hoffnungsvolle Neustart dank der friedlichen Revolution im Herbst 1989 und der Wiedervereinigung 1990, die für Halberstadt das Tor in die Zukunft aufstieß. Diese Fülle von Ereignissen haben die Mitarbeiter des Städtischen Museums Halberstadt in die Ausstellung „Halberstadt in Licht und Schatten. Zerstörung. Verfall. Erneuerung.“ gepackt.

In der Ausstellungsscheune des Schraube-Museums ist eine Rückschau auf bewegende Jahrzehnte zu sehen, die von zwei besonderen Ereignissen geprägt sind – dem 70. Jahrestag der Bombenzerstörung Halberstadts und dem 25. Jahrestag der Deutschen Einheit. Mit einer umfangreichen Fotoschau wird das eindrucksvoll dokumentiert. Bilder von Trümmerwüsten, Jahren des entbehrungsreichen Wiederaufbaus, aber auch der Ignoranz des Staates gegenüber der Altstadt, die sie fast ausgelöscht hat. Wertvolle Fachwerkhäuser, deren Verlust billigend in Kauf genommen wurde, um an ihrer Stelle graue Betonblöcke zu platzieren.

„Bereits 1967 erhielt die Altstadt von staatlicher Seite die Einstufung als historisch nicht wertvolle Fachwerksubstanz und setzte damit den Abriss als Ziel“, erinnerte Simone Bliemeister. 27,8 Prozent der Gebäude bescheinigte man nur noch eine Nutzungsdauer von unter zehn Jahren. Erste Planungen sahen vor, 75 bis 80 Prozent der Fläche neu zu bebauen.

1975 wurde die Zahl der zu bewahrenden Häuser auf 98 reduziert, 1985 legte man fest, davon weitere 51 abzureißen. Dafür sollten 1779 Wohnungen neu gebaut werden, 1583 in Plattenbauweise. „Ende der 1980er Jahre war die Altstadt schließlich ein Trümmerhaufen“, so die Historikerin.

Die Ausstellung beantwortet auch die Frage, was die Wiedervereinigung Besonderes oder Einmaliges für die Stadt zu bieten hat, wie Simone Bliemeister betont. Die Wende war der Startschuss für die Rettung der Altstadt, für die Stadtsanierung und -entwicklung. „Ohne dieses Datum, ohne den Mauerfall hätten wir heute sicher immer noch eine Stadt ohne Zentrum, eine Stadt mit Neubaugebieten im Stile der sozialistischen Zeit oder vielleicht mit einem Zentrum im Plattenformat“, bringt es die stellvertretende Museumsleiterin auf den Punkt. Fotos zeigen, wie in nur 18 Monaten Halberstadt sein Herz, das Stadtzentrum, zurück erhielt. „Ich denke, das alles sind Gründe für uns als Team eines Geschichtsmuseum, zu erinnern. Zu erinnern an Zeiten, die unsere Stadt geschunden haben, und zu erinnern, was in den vergangenen 25 Jahren geschaffen wurde.“

Die Ausstellung präsentiert aber auch die Volksstimme-Serie „Alte Häuser in neuem Glanz“. Dort kommen Menschen zu Wort, die stolz sind, auf ihre renovierten und restaurierten Häuser. Außerdem werden die Preisträger eines Fotowettbewerbs gezeigt, die Licht- und Schattenseiten Halberstadts im Bild festgehalten haben.

Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Januar 2016 in der Ausstellungsscheune des Schraube-Museums in der Voigtei 48 zu sehen.