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Landtagswahl Unterwegs in vielen Welten

Im März wird ein neuer Landtag gewählt. Gerhard Miesterfeldt tritt in Halberstadt nicht mehr an.

Von Sabine Scholz 16.01.2016, 00:01

Halberstadt l „Ich war gerne Abgeordneter im Wahlkreis 14, der Halberstadt heißt“, sagt Gerhard Miesterfeldt. Doch der Sozialdemokrat stellt sich am 13. März nicht erneut zur Wahl. Er will Jüngeren Platz machen. „Wenn man älter wird, lebt man vom Geschichtenerzählen. Aber es ist wichtig, dass man nicht nur Geschichten erzählt, sondern auch wieder zur Abstraktion kommt“, sagt er und schmunzelt. Dabei kann er gut erzählen, der Mann mit den vier Berufsabschlüssen.

Er lebt in zweiter Ehe in Barleben, war lange Jahre in Stendal beheimatet. Zum Wahlkreis Halberstadt kam er 2006. Durch Jörg Felgner, der ihn jetzt „beerben“ soll in dem politischen Mandat. Miesterfeldt sagte zu, denn nach Annette Leppinger hatte es keinen sozialdemokratischen Wahlkreisabgeordneten aus Halberstadt mehr im Landtag Sachsen-Anhalts gegeben. Manfred Püchel betreute die Halberstädter von 2002 bis 2006 mit.

Das Direktmandat konnte Miesterfeldt der CDU-Politikerin Frauke Weiß nicht streitig machen, aber als stellvertretender SPD-Landesvorsitzender hatte er einen guten Listenplatz und zog so 2006 in den Landtag ein. Dass er nicht im Wahlkreis wohnt, habe Vor- und Nachteile, sagt er rückblickend. Aber er kennt Halberstadt seit 40 Jahren, ist der Stadt seither positiv verbunden. Für die politische Arbeit im Landtag sei es manchmal ganz gut, mehr aufs Landeswohl zu blicken als nur die kommunale Sicht zu pflegen. „Das ist ein Spannungsbogen, in dem sich jedes Landtagsmitglied befindet“, sagt Miesterfeldt.

Als Kleinkind im zerbombten Dresden unterwegs, hat er ein Gespür für kriegszerstörte Städte. Um so mehr freut es ihn, wie sich in Halberstadt die Kriegsnarben schließen, auch wenn die Zerstörung im Stadtbild spürbar bleibe.

Aufgewachsen ist er in Stendal, er absolvierte eine Berufsausbildung mit Abitur zum Agrotechniker, dann studierte er Theologie, war als Pastor tätig und erwarb während seiner Arbeit in einer Einrichtung, in der zum einen geistig Behinderte und zum anderen Suchtkranke betreut wurden, den Abschluss als Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und Neurologie. Nach der Wende wurde er Landrat in Stendal, von 1998 bis 2002 Regierungspräsident und erlangte berufsbegleitend die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst im Land Sachsen-Anhalt.

Was bleibt von der politischen Karriere, die Miesterfeldt im Sommer beendet? „Beschlossene Gesetze“, sagt er. Und die Erkenntnis, dass in Sachsen-Anhalt der Landtag kaum wertgeschätzt werde. Dabei entscheide er über „Königsrecht“, den Haushalt. „Und da ist vom Gehalt für Lehrer und Polizisten bis zum Straßenbau viel Einflussmöglichkeit gegeben.“

Eine besondere Herausforderung sei für ihn der Erhalt des Nordharzer Städtebundtheaers in seiner heutigen Struktur gewesen. Und dass endlich ein Baustellenschild für die Ortsumgehung steht, freut ihn enorm. „Das Thema hat mich schon als Regierungspräsident beschäftigt.“ Zudem habe der Landtag in den vergangenenzehn Jahren Dinge angestoßen, die in den kommenden 20 Jahren neue Herausforderungen mit sich bringen. Zum Beispiel der Einstieg in die Gesamtschule.

Beim Thema Inklusion hat er klare Forderungen. Das Ziel sei aller Ehren wert, aber es dürfe nicht dazu führen, dass dann manchen Menschen der von ihnen benötigte Schutzraum entzogen wird. Zum zweiten könne Inklusion nur gelingen, wenn mehr und dafür ausgebildetes Personal zum Einsatz kommt. Da müsse nachgelegt werden, sagt er. Zudem werde es eine Zeit dauern, bis sich auch die Einstellung in der Gesllschaft in dieser Frage verändern werde.

Langweilig wird dem heutigen Vizepräsidenten des Landtags mit dem Ausscheiden aus dem Landtag nicht. Dann ist er 62. Ob es neue politische Bereiche sein werden, in denen er tätig wird, hat er noch nicht entschieden. Aber er ist ehrenamtlich gefordert – in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, im Förderverein Neue Synagoge Magdeburg, in der Lepoldina und im Verein Diakoniewerk Wilhelmshof. Der Vater eines 35-jähriges Sohnes und einer 33-jährigen Tochter wird zudem Halberstadt treu bleiben: Als Mitglied im Ortsverein der SPD.