Bahnhofsmission Nachtschicht für alle

Seit 2009 gibt es in Halberstadt eine Bahnhofsmission. Nun machen die Ehrenamtler sogar Nachtschichten. Für Flüchtlinge und Einheimische.

Von Sabine Scholz 28.01.2016, 00:01

Halberstadt l Die Mitarbeiter der ökumenischen Bahnhofsmission in Halberstadt kümmern sich um jeden, der Hilfe braucht, egal welcher Herkunft, welcher Religion. „Es sind alles Menschen“, sagt Constantin Schnee. Als Leiter der Bahnhofsmission ist er der einzige mit Festanstellung – in Teilzeit. Und als Chef für Dienstplanung und Co. zuständig. Die sieht in inzwischen sogar Nachtschichten vor. Doch der Reihe nach.

Mittlerweile sind es 26 Männer und Frauen, die in der Bahnhofsmission zupacken, Kaffee kochen, zuhören, beim Aus- und Einsteigen helfen, bei Bedarf Reisende auch bis zur nächsten Station mit Bahnhofsmission begleiten. Hilfe beim Bedienen der Fahrkartenautomaten und vieles mehr gehört zum Tagesgeschäft der Helfer, die aus allen Schichten der Bevölkerung kommen, die konfessionell gebunden sind oder auch nicht. Sie erleben Dankbarkeit, aber auch Beschimpfungen, weil sie sich ohne Ansehen der Person um jene kümmern, die der Unterstützung bedürfen.

Schon im November 2014 kamen die Ehrenamtlichen an die Grenzen dessen, was sie leisten können. Der Zustrom an Flüchtlingen, die vor allem abends in Halberstadt ankamen und nicht wussten, wie sie zur Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) kommen sollen, rief weitere Helfer auf den Plan. Unter dem Dach der Liebfrauengemeinde engagierten sich Halberstädter, fuhren die Ankommenden in ihren Pkw zur Zast, wiesen den Weg zum Bus, kümmerten sich um Fahrscheine.

Als im September 2015 der Busfahrplan dem Bedarf angepasst werden konnte, entspannte sich die Situation etwas. Zumindest, was die privaten Fahrten zur Zast betraf. Denn sich zurechtzufinden auf einem fremden Bahnhof, in einer fremden Stadt und in einer fremden Sprache, ist nicht leicht. Die Helfer blieben. „Allein im Oktober haben wir als Bahnhofsmission hier 1600 Flüchtlinge in Empfang genommen“, berichtet Constantin Schnee.

Als im Spätherbst 2015 die ersten Flüchtlinge im Tunnel zwischen den Bahnsteigen nächtigten, war klar, so kann es nicht weitergehen. Mitarbeiter von Deutscher Bahn, Bundespolizei, Stadt und städtischem Konzern Nosa als Eigentümerin des Bahnhofs trafen sich auf Einladung des Oberbürgermeisters zu Gesprächen mit der Bahnhofsmission. Am Ende entwickelte Schnee ein Konzept. Nun gibt es eine Nachtschicht in der Bahnhofsmission. „Wir schließen um 18.30 Uhr, dann übernimmt die Liebfrauenkirche die Begleitung der Ankommenden“, berichtet er. Um 22 Uhr beginnt dann für die Missionsleute die Nachtschicht.

Seit 7. Januar wird das nun so praktiziert. An sieben Tagen in der Woche wird um 22 Uhr aufgeschlossen, damit niemand allein in der Kälte sitzen muss. 16 Plätze gibt es in dem kleinen Raum, 100 Gäste haben die Mitarbeiter bereits nachts registriert, regelmäßig schauen Beamte der Bundespolizei vorbei.

„Interessant ist“, sagt Schnee, „dass ein Drittel der nächtlichen Gäste keinen Migrationshintergrund hat.“ Manche haben den letzten Zug verpasst, andere aufgrund ihres Alkoholkonsums die Orientierung verloren. „Damit, dass auch bei Einheimischen so ein Bedarf besteht, hatten wir nicht gerechnet“, sagt Schnee. „Eine schöne Bestätigung, dass wir eben für jeden da sind.“