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NS-Opfer Junge Leute bewahren Erinnerung

Fahnen auf Halbmast, Blumen auf den Massengräbern und 150 junge Leute in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge.

Von Sabine Scholz 28.01.2016, 00:01

Langenstein In kleinen Gruppen gehen Jugendliche über das weitläufige Lagergelände. Es ist nur noch wenig vorhanden von dem, was einst Konzentrationslager war. Geblieben ist der Stollen, 13 Kilometer Tunnel, die die unterernährten und misshandelten Häftlinge in die Thekenberge trieben. Und die Erinnerung an das, was war.

„Die Zwölftklässler haben sich selbstständig vorbereitet“, berichtete Gesine Daifi auf Nachfrage. Die Gedenkstättenmitarbeiterin war für einige der jungen Leute aus dem Abiturjahrgang des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums wichtige Hinweisgeberin. Einige sahen sich im Vorfeld in der Dauerausstellung um, lasen, fragten. Um den Fünftklässlern zu erzählen von dem, was einst in diesem Tal an Grauenvollem geschah.

Seit mehreren Jahren schon pflegt das Kollwitz-Gymna­sium das Projekt „Schüler führen Schüler“. 150 Fünft- und Zwölftklässler waren deshalb gestern zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Gedenkstättengelände unterwegs. Nach dem Rundgang trafen sich Jugendliche, Lehrer, Langensteiner und Harzer Bürger an den Massengräbern am Mahnmal. Der Schüler Alexander Füllgrabe spielte ein Gitarrenstück, Gesine Daifi wandte sich an die Anwesenden. Sie dankten den Schülern dafür, dass sie dazu beigetragen haben, „an das Schicksal von Männern aus der ganzen Welt zu erinnern, die von den Nationalsozialisten in diesem Konzentrationslager ihrer Menschenwürde beraubt, gedemütigt und schließlich durch Arbeit getötet wurden.“

Heute wisse man, dass der Zweite Weltkrieg, „der von Nazideutschland ausging und mehr als 60 Staaten dieser Welt mitriss“, rund 65 Millionen Todesopfer gefordert habe. Als sie die Zahl der Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs recherchiert habe, so Daifi, sei sie auf einen Satz gestoßen, den sie zweimal lesen musste: „Vielen Menschen war es nicht möglich, aus dem nationalsozialistischen Herrschaftsbereich zu fliehen, weil Staaten zeitweise die Grenzen schlossen und Flüchtlingen kein Asyl gewährten.“

Immer noch und wieder gebe es Kriege, und immer gehe es um Macht und wirtschaftliche Ausbeutung Anderer. Fast 60 Millionen Menschen sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk heute weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung, die Hälfte davon Kinder.

Fünf von denen, die vor Krieg geflüchtet sind, nahmen am Mittwoch am Gedenken teil und legten als Letzte kleine ­Rosen auf die Gräber. Die jungen Afghanen sind zurzeit in Halberstadt, haben Asyl beantragt. Im Aufnahmelager hatten sie von der Veranstaltung erfahren und sich auf den Weg gemacht.