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Stadtsanierung Familie rettet 400 Jahre altes Denkmal

„Mein Halberstadt - alte Häuser im neuen Glanz“, heißt eine Serie von Volksstimme und Stadt Halberstadt. Vorgestellt werden Bauprojekte.

Von Jörg Endries 17.02.2016, 00:01

Halberstadt l Ruinen haben den Abtshof in der Altstadt Halberstadts gesäumt – ein gruseliges Bild noch vor 13 Jahren. Kostbare, jahrhundertealte Fachwerkhäuser, die nur noch ein Schatten ihrer selbst waren. Ein Haufen morscher Holzbalken, bröselnder oder bereits herausgebrochener Lehmgefache und leere Fensterhöhlen war auch der Abtshof 20 – praktisch reif für den Abriss. Mario und Nicole Lapsch haben das 1600 erbaute Fachwerkhaus vor diesem Schicksal gerettet.

Die geborenen Halberstädter hatte es nach Braunschweig verschlagen. „Wir wollten unbedingt zurück nach Halberstadt und uns hier ein eigenes Zuhause schaffen“, erinnert sich Nicole Lapsch. Ein Neubau auf der grünen Wiese kam nicht in Frage. Das Ehepaar begab sich 2003 auf Immobiliensuche in der Altstadt, um sich seinen Wunsch von einem Fachwerkhaus zu erfüllen.

Problemfälle, die damals auf eine Rettung warteten, gab es im Jahr 13 nach der Wende gerade am Abtshof noch genügend. „Ziemlich windschief und sehr kaputt präsentierte sich der Abtshof 20. Wir hatten Angst, das Haus zu betreten“, erzählt Nicole Lapsch vom ersten Eindruck. Holzfachmann und Zimmerer-Meister Mario Lapsch erkannte jedoch das Potenzial des über 400 Jahre alten denkmalgeschützten Hauses. Liebe auf den zweiten Blick sozusagen. „Allerdings unterschätzten wir die notwendige Arbeit, damit aus der Ruine unser Traumhaus wird. Ich weiß nicht, ob wir mit dem Wissen von heute noch einmal diese Entscheidung treffen würden“, sagt Mario Lapsch.

Zweieinhalb Jahre investierten die Halberstädter jede Minute ihrer Freizeit in das Bauprojekt, den kompletten Urlaub inbegriffen. Fast ausschließlich in Eigenleistung erfolgte die umfangreiche Sanierung. „Wir, und dazu gehörten Eltern und Schwiegereltern, kamen gar nicht aus den Arbeitsklamotten heraus.“ Auf etwa 140 000 Arbeitsstunden und Geld, für das man auf der grünen Wiese sicher zwei Häuser hätte bauen können, bilanziert Familie Lapsch den Einsatz zur Rettung des Abtshofes 20. Die historische Fassade sowie die Deckenbalken blieben aufgearbeitet erhalten, die Rückseite, wo der echte Hausschwamm wucherte, musste erneuert werden, das Innenleben ist liebevoll auf die Bedürfnisse der Familie zugeschnitten worden.

Zur persönlichen Bilanz gehört: „Wir wohnen gern hier und möchten den Charme des Hauses mit dem kleinen Garten, auf den wir sehr großen Wert bei der Kaufentscheidung gelegt haben, nicht missen“, sagen beide unisono. Das gesamte Umfeld am Abtshof habe sich mittlerweile zum Positiven gewandelt, die Lebensqualität habe einen enormen Aufschwung erhalten. Ruinen sind verschwunden, stattdessen sind die alten Häuser herausgeputzt worden. Auf der hässlichen Abrissbrache Abtshof im Herzen der Altstadt entstanden beziehungsweise entstehen neue Wohngebäude. Vorteile des Wohnens in der Altstadt sind, dass man mitten im Stadtzentrum und doch sehr ruhig wohnt und kurze Wege zu Einkauf, Schule, Straßenbahn und vielem mehr habe, resümiert die Familie. „Für diese Wege benötigt man nicht extra ein Auto“, sagt Nicole Lapsch. Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Es leben zu wenig Kinder und damit Spielgefährten für Tochter Mila June in der Nachbarschaft, bedauern Lapschs.

Nicole und Mario Lapsch haben der Altstadt nicht nur einen Fachwerk-Schatz zurückgegeben. Sie hoben bei den Arbeiten sogar einen Schatz. „Um die Jahrhundertwende gehörte das Haus einem Handwerker, wie aus einen Brief zu entnehmen ist, den er mit 200 Reichsmark unter den Linoleum-Fußbodenbelag versteckte“, erzählt Mario Lapsch. Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Abtshof 20 zu den ersten Häusern in Halberstadt gehörte, in denen Linoleum verlegt wurde.

Ein besonderes Geschenk hat eingerahmt einen Platz im Haus Lapsch gefunden. „Nach dem Einzug fanden wir im Briefkasten ein wunderschönes handgemaltes Aquarell-Bild von unserem Haus im unsanierten Zustand, verbunden mit dem Dank des Künstlers oder der Künstlerin, dass wir das Fachwerkhaus vor dem sicheren Verfall gerettet haben“, berichtet Nicole Lapsch.

Gern würde sich die Familie dafür bei dem oder der Unbekannten bedanken. „Doch bis heute ist diese nette Geste anonym geblieben“, bedauert die Familie. „Wir würden uns freuen, wenn sich jemand meldet und das Rätsel gelöst wird.“