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Gesundheitszentrum Alte Schule nicht wiedererkannt

Am Sonnabend öffnete die ehemalige Marx-Engels-Oberschule in Halberstadt ihre Türen. Sie ist jetzt ein Gesundheitszentrum.

Von Gerald Eggert 03.04.2016, 23:01

Halberstadt l Lange bevor sich die hofseitige Pforte öffnete, hatte sich am Sonnabend dort bereits eine Menschentraube versammelt. Denn die Neugier auf das, was sich hinter den Backsteinmauern des imposanten Gebäudes in den vergangenen Jahren getan hat, war groß.

Viele Halberstädter hatten sehr aufmerksam verfolgt, dass statt einst Lehrer und Schüler nun Handwerker in den unter Denkmalschutz stehenden Bau ein und aus gegangen waren. Jetzt wollten sie endlich „hinter die Kulissen“ schauen und mit eigenen Augen sehen, was aus den ehrgeizigen Plänen der Investorengemeinschaft um den Architekten Jörg Gardzella und den Arzt Dr. Ulrich Heucke entstanden ist.

Eine sehr große Zahl der Besucher outete sich an dem Tag als ehemalige Lehrer und Schüler der „Marxer“. So nannten die meisten ihre Schule, die nach dem 2. Weltkrieg noch Knaben- und Mädchenvolksschule III hieß, später zur „Marx-Engels-Oberschule“ und nach der Wende in Gleim-Schule umbenannt wurde.

„Ich wurde hier 1949 eingeschult“, erinnert sich Karin Buchmann, „wir waren damals 30 Schüler in der ersten Klasse. Davon gab es drei. Ich bin gern in diese Schule gegangen und verbinde sehr schöne Erinnerungen mit den zehn Jahren.“ Im oberen Flur, verrät sie, habe sie ihren ersten Kuss bekommen. Die große Liebe sei daraus nicht erwachsen. Dafür reifte in dieser Zeit etwas anderes: Sie entschied sich, selbst Lehrerin zu werden und arbeitete später viele Jahre in dem Beruf.

Beim Rundgang durch das Haus freut sie sich über die Gestaltung der einstigen langen Flure und großen Klassenräume. Letztere sind allerdings kaum noch zu erahnen. Denn sie wurden unterteilt in Arztpraxen mit den notwendigen modern ausgestatteten Behandlungsräumen. Eine Überraschung erlebt Karin Buchmann an dem Tag: Im Klassenbuch der Klasse 1 des Jahrgangs 1949/50, das auf dem Dachboden entdeckt worden war, liest sie ihren und die Namen ihrer Mitschüler.

Christa Dahrmann war von 1963 an viele Jahre Unterstufenlehrerin an der Marx-Engels-Schule. „Ich bin beeindruckt von dem, was aus dem Gebäude gemacht wurde. An eine Schule erinnert nichts mehr, höchstens der Name, welcher diesem medizinischen Zentrum gegeben wurde“, sagt sie im Gespräch mit Heidi Bergert.

Auf der Suche nach der Aula stellt Gerd Kalberg fest, dass sich so viel verändert hat, dass nichts wiederzuerkennen ist. Auch er war einst Schüler hier. „Am meisten freut mich, dass ein so schönes altes Haus eine Zukunft bekommen hat“, unterstreicht er. Eine Meinung, die viele Halberstädter mit ihm teilen. So auch Margit Küssel, die 1958 bis 1968 die Schulbank in der „Marxer“ drückte und nun ihren Mann Hans-Joachim durch das Haus führt. „Wir waren als musikalische Schule bekannt. Ich habe damals im Chor gesungen“, berichtet sie Dr. Thomas Puhrer beim Besuch in dessen Praxis. Der Arzt und seine Mitarbeiterinnen führen wie auch die anderen Bewohner des Hauses durch die von ihnen genutzten Räume und beantworten die Fragen der Besucher.

Dr. Ulrich Heucke erinnert an den Vortag, an dem die offizielle Einweihung mit geladenen Gästen stattgefunden hat. Die vielen positiven Reaktionen hätten ihm noch einmal bestätigt, eine richtige Entscheidung getroffen zu haben, als der mit ihm befreundete Jörg Gardzella ihn für die Idee, aus dem historischen Schulhaus ein Ärztehaus zu machen, begeistert hatte. Beide konnten dafür weitere Interessenten gewinnen. Und so fanden sich sieben Investoren, die das Millionen-Projekt angingen.

„Wir sind inzwischen eine eingeschworene Gemeinschaft“, betont Jörg Gardzella, „über die Zusammenarbeit im Zuge der Projektierung und aller danach folgenden Arbeiten hinaus sind wir Freunde geworden. Dem Bau geschuldeten Treffen sind längst familiäre Treffen gefolgt. Der Architekt ist davon überzeugt, dass das eine wesentliche Basis dafür gewesen sei, ein solch riesiges Projekt wie das Gesundheitszentrum „Alte Schule“ in der Bismarckstraße stemmen zu können.

Auf vier Ebenen des Gebäudes befinden sich die Arztpraxen, eine Apotheke, eine Ergotherapie und sogar eine Salzgrotte. Der einstige Schulhof dient als Parkplatz für Patienten und Mitarbeiter. Das Hofgebäude befindet sich noch in der Ausbauphase. Dort sollen jedoch schon bald eine Zahnarztpraxis und eine Physiotherapie einziehen. Und die ehemalige Turnhalle kann nach der Sanierung von Sport- und Therapiegruppen gemietet werden.