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Fußballkultur Gefahr von Rechts auf Fantribünen

Ronny Blaschke recherchiert zu Rechtsextremismus im Fußball. In Langenstein sprach er über Neonazis in Stadien und auf Kreisligaplätzen.

Von Holger Manigk 19.05.2016, 01:01

Langenstein l Rechtsextreme haben es in Fußballstadien einfacher als anderswo, Gruppierungen aufzubauen. Das sagte der Sportjournalist Ronny Blaschke bei seinem Vortrag in der Gedenkstätte für die Opfer des Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge. Der Fußball diene als gemeinsamer Nenner. „Auf den Stehtribünen, die immer noch ein verdichteter männlicher, emotionalisierter Raum sind, werden rassistische Parolen seltener verurteilt“, erläuterte der Autor des Buches „Angriff von Rechtsaußen“.

Auch wenn Fankurven nicht generell von rechts unterwandert würden, gelten laut Blaschke Beschimpfungen des Gegners dort als normal. „Es gibt immer das Gefühl von ‚wir‘ und ‚die anderen‘.“ Er habe solche Vorfälle schon im Halberstädter Friedensstadion erlebt, berichtete Germania-Fan Lothar Pawelke. „Etwa 20 Leute haben ‚Für die Preußen LSD, für die Sachsen Zyklon B‘ gegrölt“, erinnert sich der Halberstädter. Dagegen eingeschritten sei niemand.

„Vereine, der DFB, die Landesverände und Lokalpolitik müssen solche Vorfälle viel schärfer verurteilen“, antwortete Ronny Blaschke. „Rechtsextreme nutzen den Fußball als politische Plattform.“ Denn selbst wenn die Neonazis inzwischen nicht mehr deutlich sichtbar im Stadion auftreten, seien die feindlichen Einstellungen nicht verschwunden.

Ähnlich sei der Fall des von Rechtsextremen unterwanderten Kreisligisten 1. FC Ostelbien Dornburg im Jerichower Land gelagert, sagte der freie Journalist. „Das Problem ist, dass die Leute und das Umfeld in Dornburg die Rechten toleriert haben“, warf ein Zuhörer ein. „Das rassistische Gedankengut ist in vielen Köpfen.“

Der Fußballverband Sachsen-Anhalt habe lange zögerlich gewirkt, ehe der Verein im vergangenen November vom Spielbetrieb ausgeschlossen wurde, kritisierte Blaschke. Der gebürtige Rostocker findet es wichtig, dass in den unteren Spielklassen Vereinsmitglieder, Spieler, Schiedsrichter und Trainer gegen die Gefahr von Rechts sensibilsiert werden.

Zuvor hatte Blaschke am Beispiel von Lok Leipzig demonstriert, wie Neonazis die Fanszene eines Vereins unterwandern und vereinnahmen. „Einer der Nazis hat es sogar als NDP-Kandidat in den Leipziger Stadtrat geschafft“, erläuterte Blaschke. „Mit Facebook und sozialen Netzwerken im Internet können sich die Rechten besser vernetzen als früher“, sagte der Autor.

Blaschke forderte mehr Aufklärungsarbeit von den großen Vereinen, vom DFB und von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) als Interessenvertretung der Profivereine. „Die 18 Bundesliga-Vereine haben einen Jahresumsatz von mehr als 2,5 Milliarden Euro.“ Die Bundesliga-Stiftung dagegen erhalte gerade einmal 3,5 Millionen Euro für soziale Projekte.

Mehr über das Thema Rassismus im Fußball ist in der Gedenkstätte noch bis zum 25. Mai zu erfahren. Solange ist die kostenlose Sonderausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball“ geöffnet. Sie thematisiert Schicksale jüdischer Fußballspieler, Journalisten und Funktionäre. Erst verhalfen sie dem Sport in Deutschland zu Popularität, dann sahen sie sich mit Ausgrenzung und Verfolgung durch das NS-Regime konfrontiert.