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Wetter Dürre sorgt für extreme Situation

Hitze und Dürre sorgen im Harz für immer mehr Probleme. So rechnen Landwirte mit Verlusten bei der Maisernte und Bäche sind versiegt.

Von Dennis Lotzmann 13.09.2016, 09:37

Halberstadt l Die positive und – aus menschlicher Sicht – entscheidende Nachricht: die Trinkwasserversorgung ist trotz langer Dürreperiode nicht in Gefahr. Auf die Kernfrage nach der Versorgungssicherheit, die sich bei Wetterlagen wie der aktuellen ganz automatisch stellt, kann Jana Arnold von der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH auch diesmal mit beruhigenden Worten reagieren: „Die Rappbodetalsperre ist als Trinkwasserreservoir gut gefüllt – im Moment mit rund 75 Millionen Kubikmetern. Die maximal speicherbare Menge von 109 Millionen Kubikmetern würde – ohne jeden Regen oder Zufluss – für ganze zwei Jahre ausreichen“, so die Sprecherin des Wasserversorgers, der für weite Teile Sachsen-Anhalts zuständig ist.

Allerdings ist die Wasser-Situation im Harz insgesamt durchaus dramatisch. Der Talsperrenbetrieb registriert im Oberharz gerade einen extremen Negativ-Saldo. Während pro Tag allein zur Wasserversorgung rund 140 000 Kubikmeter, sprich: 140 Millionen Liter, Trinkwasser aus dem ausgeklügelten Speichersystem gezapft werden, tröpfelt es bestenfalls nur noch hinein, berichtet Joachim Schimrosczyk.

Schimrosczyk weiß als Geschäftsbereichsleiter beim Talsperrenbetrieb um die aktuelle Situation. Während die Zuläufe aus Hassel- und Rappbode-Vorsperre gegen Null tendierten speisten warme und kalte Bode sekündlich zwischen 100 und 200 Liter ins vorgelagerte Staubecken Königshütte. „Allerdings geben wir von dort pro Sekunde 350 Liter in die Bode ab, um sie zu stabilisieren.“ Und auch das, so Schimrosczyk, erfolge schon mit einer Ausnahmegenehmigung.

Normalerweise liege das absolute Abgabeminimum Richtung Bode bei 500 Litern, normal seien 600 bis 700 Liter pro Sekunde. Das Ziel der Übung: Der Füllstand der Sperre Königshütte liegt mit 200 000 Kubikmetern nur noch knapp über dem absoluten Minimum von 180 000 Kubikmetern. Im Talsperrenbetrieb wird gespart und gepuffert, was möglich ist.

„Die Situation ist schon extrem – so extrem habe ich das noch nie erlebt“, bilanziert der Bereichsleiter, der seit 1983 im Ostharzer Talsperrenbetrieb arbeitet. Unterm Strich kommt im eigentlichen Trinkwasserspeicher Rappbodetalsperre gegenwärtig nichts mehr an Nass hinzu.

Letztlich haben die Harzer Talsperren eine große Bedeutung für die Trinkwasserversorgung in Deutschland. Während die Pipelines von den Ostharzer Sperren bis zur Elbaue bei Torgau reichen, pumpen die Westharzer Wasserwerke das Lebensmittel Nummer eins bis nach Bremen. Entsprechend fatale Auswirkungen hätten Havarien oder Knappheit.

Während die Verantwortlichen dank der riesigen Speicherbecken hier oben im Harz noch Spielräume und Puffer haben, schlägt die Dürre im Tal längst gnadenlos zu. Nach Sturzfluten Anfang Juni liegen in Wernigerode zahlreiche Bäche, die sonst ganzjährig Wasser führen, nun trocken, andere sind zu Rinnsalen geschrumpft.

„Auch am Goldbach in Halberstadt ist die Situation extrem“, bestätigt Nadja Effler-Scheruhn, Geschäftsführerin des Unterhaltungsverbandes Ilse-Holtemme: „Fische verenden, andere Kleinlebewesen sind in akuter Gefahr.“

Bei aller Dramatik kann die Gewässerexpertin auch von hoffnungsvollen Signalen berichten. Anlieger, die Fische kurzerhand in eigenen Teichen aufnehmen und so wohl ihren Erstickungstod verhindern. Und Freiwillige, die sich melden, um den vermutlich einzigen positiven Effekt der aktuellen Dürre zu nutzen und die Bach- und Flussläufe von Müll und Unrat zu befreien. „Wir haben schon Container bereitgestellt, in Halberstadt helfen uns auch Stala-Mitarbeiter.“

Generell sieht Nadja Effler-Scheruhn angesichts solcher Wetterextreme, mit denen Klimaforscher künftig noch häufiger rechnen, mehr Bedarf für pragmatische Zusammenarbeit zwischen Behörden. Und sie bringt den Gedanken von Flusspatenschaften ins Gespräch. Paten sind dann Anlieger, die sich bei hohen Pegelständen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenso einbringen wie bei Dürre.

Dürre ist das Thema, das auch Jürgen Zywitzki von Bauernverband Nordharz aktuell umtreibt. Der verdorrte Mais auf den Feldern sei für alle unübersehbar. „Wir müssen die Maisernte um etwa vier Wochen vorziehen, um keine weiteren Ernteverluste zu riskieren. Extrem schwierig gestalte sich angesichts des knochenharten Bodens die Ernte von Kartoffeln und Rüben. „Die Kartoffelrodung ist im Moment gar nicht möglich. Die dürrebedingten Verluste lassen sich hier bislang kaum beziffern.“

Noch größer, so Zywitzki, seien aktuell die Probleme bei der Herbstbestellung. „Raps und Wintergerste sind zwar im Boden, können aber aufgrund des fehlenden Wassers überhaupt nicht keimen.“ Damit drohten schlimmstenfalls Schäden bei der Überwinterung. „Wir brauchen dringend einen seichten Landregen.“

Wie groß das Niederschlagsdefizit bislang allein im September ist, kann Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) mit Zahlen belegen: „Das langjährige Septembermittel weist für September in Wernigerode 36,5 Liter pro Quadratmeter aus, nach zwölf Tagen liegen wir bei 2,1 Liter.“ Überhaupt habe der September 2016 nach einem Monatsdrittel alles, um als extrem klassifiziert zu werden, so der Meteorologe. „Bislang liegen wir nach zwölf Tagen um fünf Grad über dem langjährigen September-Wert.“ Allerdings sei nun ein Umschwung in Sicht. Ab Donnerstag werde es kühler, auch Regen sei in Sicht.

Damit würde dann endlich auch der akute Stress für die Wälder nachlassen. „Aktuell kommt zum Schadstoffeintrag auch der klimabedingte Stress“, berichtet Friedhart Knolle vom Nationalpark Harz. Hitze und obendrein Wassermangel seien für Bäume Stress pur.

Hinzu kommt die akute Waldbrandgefahr. Allein in den vergangenen fünf Tagen waren viele Feuerwehren in Börnecke/Langenstein und nahe Wernigerode gefordert, um zwei ausgedehnte Waldbrände unter Kontrolle zu bringen. Der Stress, unter denen die Wälder stehen, übertrug sich direkt auf die Wehrleute. Sie standen vor der kniffligen Aufgabe, mitten in den Wäldern und damit fernab von Hydranten Löschwasserversorgungen aufzubauen. Binnen kürzester Zeit mussten lange Wege mit Schläuchen überbrückt und Löschwasser mit Pendelverkehr herangekarrt werden.

So am Wochenende beim Feuer im Wernigeröder Stadtwald. Die Distanz zwischen dem Zapfteich und der Brandstelle lag nach Angaben von Vize-Stadtwehrleiter Marco Söchting bei rund zehn Minuten Fahrzeit. „Das war eine extreme Materialschlacht, die tierisch geschlaucht hat. Auch wir hoffen endlich auf Regen, kühlere Temperaturen und damit sinkende Waldbrandgefahr, um endlich wieder Luft zu holen“, so der Vize-Stadtwehrleiter.