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Brandermittler Flammende Leidenschaft auf Lebenszeit

Ralf Staufenbiel - langjähriger Kriminalbeamter mit Schwerpunkt Brandermittlung - berichtet in einem Buch über spektakuläre Fälle.

Von Dennis Lotzmann 16.10.2016, 09:12

Halberstadt l Ralf Staufenbiel? „In seinem Fach ein Experte, eine echte Koryphäe.“ Hauptkommissar Staufenbiel? „Mit dessen Abgang in den Ruhestand ist richtig viel Fachwissen verloren gegangen. Den hätten wir gern noch länger bei uns gehabt.“ Zwei Antworten von Harzer Polizeibeamten auf die Frage, wie sie sich an Ex-Kollegen Ralf Staufenbiel erinnern. Zwar ist der Hauptkommissar seit neun Jahren außer Dienst und im Ruhestand. In 17 Jahren bei der Kriminalpolizei hat sich der Kloster Gröninger aber einen nachhaltigen und exzellenten Ruf erarbeitet.

Was irgendwie vorgezeichnet war, wie der heute 66-Jährige resümiert. Schon in früher Kindheit hätten ihn lodernde Flammen fasziniert. Eine Mischung aus Abenteuerlust und Helfersyndrom führt ihn 1965 zur Feuerwehr seines Heimatdorfs Deesdorf. 1978 dann die Erfüllung seines Traums: Bei der Feuerwehr in Halberstadt ist eine Stelle frei. Der gelernte Ofensetzer überlegt keine Sekunde. Er studiert an der Feuerwehrschule in Heyrothsberge und findet bei den Floriansjüngern seine Erfüllung.

Dann ein Schnitt, der ungeplant war. 1989 ist die DDR so klamm, dass die hauptberufliche Feuerwehr in Halberstadt aufgelöst werden muss. „Ich bin notgedrungen zur Polizei gewechselt und musste wieder bei Null anfangen.“

Doch beim Streifendienst als „Dorf-Sheriff“ bleibt es nicht lange. Bei einem Brand im April 1990 in Gröningen holt ihn seine Vergangenheit als Berufsfeuerwehrmann wieder ein. Er sieht sich den Brandort eines tödlichen Unglücks genauer an, macht Fotos und zieht persönliche Schlussfolgerungen, mit denen er die Ermittler überrascht. Letztlich wird der Tatverdächtige zwar nicht angeklagt, Staufenbiel tritt aber eine Woche später die Stelle des scheidenden Kriminaltechnikers in Oschersleben an.

Was den Beginn einer 17-jährigen Tätigkeit bei der Kripo markiert, findet 26 Jahre später als erstes Kapitel Eingang in ein Buch, das Ralf Staufenbiel veröffentlicht hat. Unter dem Titel „Brände, Morde, Explosionen“ lässt er gut 50 Kriminalfälle Revue passieren. Darunter viele Gewaltverbrechen und – was nicht überrascht – Fälle, in denen Feuer eine Rolle gespielt hat.

Die Leser erwarten auf 280 Seiten nicht nur spannende und oft spektakuläre Fälle, sondern Klartext in Bild und Wort. Fotos machen deutlich, dass der Job als Kriminalist und Brandermittler alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Zugleich erfahren die Leser, dass Staufenbiel ein „Schnüffler“ war, der den Dingen so tief wie nötig auf den Grund gegangen ist. Unter Journalisten wird er zum „Archäologen der Polizeidirektion.“

So 2005, als ein Feuer in der Obdachlosenunterkunft in Halberstadt neun Menschen das Leben kostet. Damals bringt sich ein Bewohner als Tatverdächtiger selbst ins Fadenkreuz der Ermittler. Es könne sein, so der Mann in Vernehmungen, dass er eine Zigarette geraucht habe und darüber eingeschlafen sei.

Staufenbiel wühlt sich mit seinen Kollegen zwei Tage lang durch den Brandschutt und kann den Verdacht schließlich entkräften: Er findet unter dem geschmolzenen und auseinander gelaufenen Papierkorb verrußte Splitter der Fensterscheibe. „So war zu schlussfolgern, dass es zuerst in Fensternähe brannte, die Scheiben verrußten und zersprangen und erst dann vom schmelzenden Papierkorb konserviert wurden“, erklärt der Kriminalhauptkommissar außer Dienst. Obendrein sprachen die Brandverletzungen des Verdächtigen gegen die Zigarettenthese. Am Ende machen die Brandexperten den Fernseher als Quelle des Infernos aus.

Dass die Leser heute viele Kriminalfälle aus Sicht eines Ermittlers Revue passieren lassen können, ist übrigens einem Glücksumstand zu verdanken. Seit seiner Pensionierung widmet sich Staufenbiel intensiv der Heimatgeschichte. Er verfasst zwei Bücher, die sein Freund Uwe Reinhardt Korrektur liest. Als Staufenbiel beginnt, seine Memoiren zu Papier zu bringen und Uwe Reinhardt in den ersten Episoden blättert, erkennt er sofort die Chance: „Das ist ein Hammer, das muss ein eigenständiges Buch werden, hat er damals gesagt“, so Staufenbiel. Gut ein Jahr später liegt das Werk auf dem Tisch.

Dass die Leser auch mit schockierenden Bildern konfrontiert werden, ist gewollt: „Wir müssen es als Kriminaltechniker ertragen, die Feuerwehrleute müssen die Bilder mit nach Hause nehmen. Ich möchte, dass die Leute auch etwas mitnehmen“, betont Ralf Staufenbiel. Was? „Die Erkenntnis, dass mitunter harmlose Dinge Auslöser von schrecklichen Tragödien sein können.“ Beispielsweise der Kontaktschalter im Kühlschrank. Nicht alle Gefahren seien vermeidbar, aber viele. „Ich habe zuhause mindestens sieben Rauchmelder, und mein Handyladegerät liegt auf einer unbrennbaren Fliese.“

Demnächst lädt Ralf Staufenbiel zu Lesungen ein. Am 18. Oktober kommt er um 19 Uhr ins Bestehornhaus Aschersleben, am 27. Oktober folgt um 19 Uhr der Gewölbekeller in Gröningen. Hinzu kommt eine Runde mit alten Feuerwehrkameraden in Halberstadt. Dann ist auch Ex-Stadtwehrleiter Harald Böer dabei: „Ich freue mich auf Ralf – einen zuverlässigen und korrekten Kameraden, auf den man sich immer verlassen konnte.“