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Alpiner Wintersport Bode soll für Schneelanzen bluten

In Braunlage wollen die Betreiber der Seilbahn die Wassermenge, die zur Kunstschnee-Produktion aus der Bode entnommen wird, verdoppelt.

Von Dennis Lotzmann 27.10.2016, 13:05

Braunlage/Schierke l Der Fakt ist alles andere als neu: Ohne künstliche Beschneiung wird das alpine Skivergnügen immer ungewisser. Deshalb haben die Verantwortlichen der Wurmbergseilbahn GmbH & Co. KG (WSG) parallel zur Pistenerweiterung am Hexenritt im Jahr 2012 auch eine umfangreiche Beschneiungsanlage in Betrieb genommen. Damit soll zwischen Dezember und März für etwa 90 Tage Schneesicherheit im Skigebiet „Wurmberg“ garantiert werden.

Das Wasser für diesen „technischen Schnee“ stammt letztlich vor allem aus der Warmen Bode. Die WSG darf mit behördlicher Genehmigung bis zu 66 000 Kubikmeter Wasser aus dem Fließgewässer abzweigen, um damit ihre Schneekanonen und -lanzen zu versorgen. Eine Menge, die allerdings nicht ausreicht, um die nötigen Kunstschneemengen zu produzieren. Deshalb strebt die WSG nun eine Verdoppelung dieser Menge an.

Im aktuell laufenden Genehmigungsverfahren wird das Dilemma der Seilbahnbetreiber deutlich: Seit 2012/2013 habe sich gezeigt, dass die zur ­Verfügung stehende Wassermenge nicht für alle Wetterszenarien ausreiche, um die Zielvorgabe von 90 Tagen Schneesicherheit zu garantieren, heißt es.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ausbleibende kons­tante Kälte – insbesondere eingangs der Wintersaison – erschwert oft den Aufbau einer Schneedecke. In den vergangenen Jahren folgte Frostperioden im Dezember oder Januar immer wieder Tauwetter. Die Konsequenz waren mehrfache Beschneiungsanläufe und – weil das Wasser versickerte – Totalverlust beim Basismaterial.

Deshalb das Ansinnen der WSG, die maximale jährliche Entnahmemenge von bislang 66 000 Kubikmetern pro Jahr auf 130 000 Kubikmetern quasi zu verdoppeln. Der entsprechende Antrag liegt seit Sommer 2015 bei der zuständigen Genehmigungsbehörde in der Kreisverwaltung Goslar. Bislang ohne Ergebnis.

Womöglich auch, weil die Umwelt- und Naturschützer – allen voran der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) – dagegen Sturm laufen. Sie hätten Ende vorigen Jahres nach eigenen Angaben eher zufällig von den WSG-Plänen erfahren und befürchten massive Auswirkungen auf die Dynamik des Fließgewässers Warme Bode, so Friedhart Knolle vom BUND Westharz.

„Wir sehen hier große Gefahren, denn eine Verdoppelung der Wasserentnahmemenge wäre ein massiver Eingriff in ein besonders sensibles Gewässer“, so Knolle. „Wir hatten schon 2012 mit der letztlich genehmigten Entnahme von 66 000 Kubikmetern massive Probleme.“ Wenn diese Menge nun verdoppelt werden soll, rieche das nach Salamitaktik – erst ein Stück und dann noch ein weiteres.

Letztlich, so Knolle, werde die Bode mit dieser Wasserentnahme ein Stück ihrer natürliche Dynamik beraubt. „Ein solches Fließgewässer braucht eine Mindestwassermenge, aber auch Hochwassersituationen, die einen reinigenden Effekt haben und Sediment abführen.“ Dieses reinigende Moment mit hohen Pegelständen werde mit derartigen Wasserentnahmen geschwächt, so Knolle.

Technisch wird die Wasser-Entnahme mit einem Abschlagbauwerk, das sich unweit der Talstation der Wurmbergseilbahn in Braunlage befindet, realisiert. Mittels eines sogenannten Tiroler Wehrs (Seitenwehr zur Fließrichtung) wird dort ein Schwallpunkt markiert. Hat die Warme Bode einen normalen oder niedrigen Wasserstand, strömt das gesamte Nass bachabwärts am Wehr vorbei. Steigt der Pegel über das Wehrniveau an, fließt Wasser seitlich in eine Pumpanlage ab. Mit ­dieser wird das Wasser zum Speichersee auf dem Wurmberg hinauf gepumpt. Soll heißen: Der seitliche Ablauf über das Tiroler Sperrwerk kappt Pegelpitzen.

Die bislang genehmigten Entnahmemengen nun zu verdoppeln, ist nur ein Aspekt. Auch im benachbarten Schierke ist mit Blick auf das dort geplante Skigebiet Winterberg eine Beschneiung mit Wasserentnahme aus der Kalten Bode geplant.

Andreas Meling, in der Stadtverwaltung Wernigerode zuständiger Mitarbeiter für die Entwicklung im Ortsteil Schierke, bestätigt derartige Pläne. Die genauen Entnahmemengen seien noch völlig offen. Im Moment würden die Pegel und Wasserlinien der Kalten Bode im Jahresverlauf an mehreren Messpunkten erfasst, um Basisdaten zu bekommen.

Ein Grundproblem, das die Verantwortlichen am Wurmberg mit einer höheren Entnahmemenge nun offenbar zu kompensieren versuchen, wollen die Schierker von Anfang an verhindern, lässt Meling durchblicken: „Unser geplanter Speichersee soll 75 000 Kubikmeter Wasser für 20 Hektar Abfahrtsfläche fassen.“ Vergleicht man dies mit dem Wurmberg – 42 000 Kubikmeter für rund 40 Pistenhektar – wird das Missverhältnis deutlich.

Ob die Wasserentnahme aus Kalter und Warmer Bode in Summe letztlich auch Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt haben könnte, bleibt derweil offen. Nach Angaben von Burkhard Henning, dem Geschäftsführer das Talsperrenbetriebs Sachsen-Anhalt, vereinigen sich Warme und Kalte Bode an der Überleitungssperre Königshütte. Von dort erfolge der Abfluss über das natürliche Bodebett nach Altenbrak und Thale. Parallel werde von Königshütte aus via Überleitstollen die Rappbodetalsperre mit Bodewasser gespeist.

Die Talsperre ist Basis der Trinkwasserversorgung in weiten Teilen Mitteldeutschlands. Ob und wie sich eine höhere Wasserentnahme im Oberlauf der Bode letztlich auf die Trinkwasserqualität auswirken könnte, könne er nicht sagen, so Henning. Das müssten die zuständigen Wasserbehörden prüfen.

Apropos prüfen: Im Moment prüft auch die Staatsanwaltschaft in Braunlage genauer. Anlass ist die Strafanzeige eines Mannes, der den WSG-Verantwortlichen vorwirft, in der Vergangenheit „erheblich mehr“ als nur 66 000 Kubikmeter Wasser pro Jahre aus der Bode entnommen zu haben.

Dies, so der Vorwurf, sei mithilfe einer Manipulation am Lauf der Warmen Bode ermöglicht worden. Man habe die Bode oberhalb des Abschlagbauwerks (Tiroler Wehr) zunächst angestaut und dann mittels Zerstören dieses Damms eine künstliche Flutwelle erzeugt, um Wasser ins Pumpwerk abzuleiten.

„Uns liegt diese Anzeige seit April vor, die Ermittlungen der Polizei laufen noch“, so die Braunschweiger Oberstaatsanwältin Birgit Seel.

Was WSG-Geschäftsführer Dirk Nüsse zu diesem Vorwurf sagt, bleibt derweil offen. Nüsse war am Mittwoch für eine Stellungnahme trotz mehrfacher Versuche nicht erreichbar.

Der WSG-Chef soll in den nächsten Wochen zumindest Klarheit über seinen vor knapp anderthalb Jahren gestellten Antrag zur Verdoppelung der Wasserentnahmemenge bekommen. „Aktuell läuft die Auswertung der Stellungnahmen. Wir rechnen Mitte November mit einem Ergebnis, das wir vor einem Bescheid zunächst mit dem Antragsteller besprechen werden“, kündigt Maximilian Strache, Sprecher der Kreisverwaltung Goslar, an.