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Ärztemangel Rätselraten um Hausarzt-Praxis

Die allgemeinmedizinische Praxis in Dingelstedt ist seit Oktober dicht. Ob und wann ein neuer Hausarzt ins Huy-Zentrum kommt, ist unklar.

Von Dennis Lotzmann 30.11.2016, 09:00

Gemeinde Huy/Dingelstedt l Die Botschaft auf dem Schild am Tor zur bisherigen Hausarzt-Praxis in Dingelstedt ist klar: „Unsere Praxis bleibt ab dem 11.10.2016 geschlossen“, hieß es dort gegenüber den Patienten bis vor Kurzem. Ähnlich die Nachricht vom Ansageband der Praxis, in der zuletzt Adele Bense praktiziert hat: „Unsere Praxis ist geschlossen, Sie erreichen uns bis zum 22.12. noch ...“

Zwei dürre Informationen, die bei den betroffenen Patienten in und rund um Dingel-stedt für Unklarheit sorgen und viele Fragen aufwerfen: Wird die langjährige Praxis auf Dauer geschlossen? Müssen wir bis Weihnachten unsere Akten abholen und uns einen neuen Hausarzt suchen? Oder stimmen Gerüchte, wonach es Verhandlungen mit Ärzten geben soll und eine Nachfolge zumindest nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist?

Fragen, die auch Huy-Bürgermeister Thomas Krüger und den Dingelstedter Ortsbürgermeister Andreas Schumann bewegen. Die beiden CDU-Politiker hoffen – ebenso wie die Patienten – auf ein Happy End und eine Wiedereröffnung. Ob und wie realistisch diese Hoffnung ist, kann jedoch auch die Volksstimme bei ihrer Recherche nicht klären. Verlässliche Antworten sind und bleiben Fehlanzeige – auch seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Magdeburg.

Dort gibt es nach der Anfrage der Volksstimme am Montag zumindest am Dienstagnachmittag per E-Mail eine vage Information zum aktuellen Status der „Praxis Bense“: Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ruhe. Daraus folge, dass den Arzt innerhalb „des befristeten Zeitraums“ keine vertragsärztlichen Pflichten träfen, er also nicht tätig sein müsse, teilt eine KV-Sprecherin schriftlich mit. Die telefonische Nachfrage, wie lange die Zulassung denn ruhe, bleibt nur eine Minute später unbeantwortet – die beiden KV-Sprecher sind nicht mehr erreichbar.

Zur entscheidenden Frage, ob ein Nachfolger in Sicht sei und die Praxis wohl wieder geöffnet werde, äußert sich die KV-Sprecherin so: „Nach bisherigem Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass die Praxis wieder geöffnet wird.“ Worauf sich dieser Optimismus stützt und wohin die Reise gehen könnte? Auch diese telefonische Nachfrage bleibt erfolglos.

Also muss – mangels offensiver Informationspolitik der KV – die Gerüchteküche bemüht werden. Informationen aus einer verlässlichen Quelle besagen zumindest, dass es im Hintergrund offenbar tatsächlich Verhandlungen mit möglichen ärztlichen Nachfolgern gibt.

Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Zulassung laut KV nur ruht und nicht zurückgegeben wurde, sodass ein Nachfolger vergleichsweise unkompliziert einsteigen könnte. Ob und wann die Verhandlungen von Erfolg gekrönt sind, ist völlig offen.

Ein Grund für die schwierigen Verhandlungen sind womöglich auch die räumlichen Rahmenbedingungen in Dingelstedt: Die einst von Adele Bense lange geführte Praxis befindet sich auf deren Privatgrundstück. Nachdem sich Adele Bense altersbedingt aus dem Praxisbetrieb zurückgezogen hatte, übernahm Sohn Jörg Bense, der in einem Nachbarort wohnt, die Hausarzt-Niederlassung.

Eigentlich eine auf Dauer angelegte Lösung. Allerdings hat sich vor einiger Zeit ihr Sohn zurückgezogen – offenbar auch auf Dauer. Nach Recherchen der Volksstimme könnte nun die direkte Verbindung von Privat- und Praxis-Räumen den Verkauf erschweren.

Ob es tatsächlich daran hängt und warum Jörg Bense nicht mehr praktiziert, war am Dienstag nicht in Erfahrung zu bringen. Sowohl Adele Bense als auch ihr Sohn Jörg waren nicht erreichbar.

Klar ist aber, dass aufgrund der insgesamt unklaren Perspektive die Patienten noch bis 22. Dezember ihre Akten abholen können. Damit soll ihnen der Wechsel zu einem anderen Hausarzt ermöglicht werden. Kommt es zu einer Nachfolge-Lösung in Dingelstedt, wäre die Rückkehr dorthin die erste Wahl.

Die Unklarheiten beschäftigen längst auch die anderen Hausärzte im Huy. Neben der Praxis Bense gibt es weitere in Anderbeck, Badersleben sowie Dedeleben und Eilsdorf.

„Bei uns klopfen deutlich mehr Patienten an“, berichtet die Eilsdorfer Ärztin Elke Meier-Kratochwil. „Wir versuchen ja, den Leuten zu helfen, es gibt aber auch Grenzen.“ Vorige Woche habe sie bis zu 145 Patienten an einem Tag behandelt – „das geht mal für eine gewisse Zeit, aber nicht auf Dauer“, so die 53-Jährige. Zudem koste die Übernahme von Patienten einschließlich Einlesen in die Akten viel Zeit. Das alles bringe sie und ihre Mitarbeiterin an persönliche und gesundheitliche Grenzen.

Ähnlich Dr. Angela Kind in Dedeleben. „Das Problem ist, dass wir Kollegen nichts wissen“, so die Hausärztin. Bleibe die Praxis geschlossen, „müssten“ die Kollegen im Huy das irgendwie auffangen. „Die Leute müssen ja versorgt werden.“ Wenngleich das die verbleibenden Ärzte zusätzlich belaste. Schließlich seien die Strecken im Huy recht weit.

Sowohl für Hausbesuche als auch für die Fahrten der Patienten in die Praxen. Deshalb sehen Dingelstedter Patienten wie Ernst Mahler vor allem ein Problem: „Wir müssen, wenn unsere Praxis geschlossen bleibt, in Nachbarorte fahren. Das ist für Senioren und für Menschen ohne Führerschein ein riesiges Problem.“ Kommentar