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Zoff in Wegeleben Heimatlose Tauben belagern Eulenturm

Die Vertreibung der Tauben aus dem Wegeleber Eulenturm sorgt für Streit im Ort.

Von Christian Besecke 09.12.2016, 10:23

Wegeleben l In Wegeleben gibt es einen handfesten Streit. Auf der einen Seite steht die Stadtverwaltung, auf der anderen Seite finden sich etliche Bürger. Streitpunkt ist die kürzlich erfolgte Reinigung des denkmalgeschützten Eulenturms, bei der die dort ansässigen Tauben ausgesperrt wurden. „Wir haben den Turm von Kot befreien lassen“, sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Zimmer (CDU). „Dabei handelt es sich um eine Größenordnung von etwa neun Kubikmetern Dreck, Fäkalien und Tierüberresten.“ Damit eine solche Ansammlung künftig nicht mehr entstehen kann, hat die Stadt den Eulenturm „taubenfest“ machen lassen.

„Mit den Arbeiten mussten wir eine Firma beauftragen“, berichtet Zimmer. „Der Kot wurde als Sondermüll entsorgt.“ Die ganze Aktion habe rund 6000 Euro gekostet. Geld, das die Stadt angesichts leerer Haushaltskassen eigentlich nicht hat. Als negativer Nebeneffekt findet nun seit einigen Wochen eine „Dauerbelagerung“ durch die Vögel statt, die in ihr altes Quartier zurück wollen. „Wir reden über mehrere hundert verwilderte Brieftauben“, sagt Willfried Minuth. Dem langjährigen Züchter tut es in der Seele weh, die Tiere so hilflos zu sehen.

Zu dem Tierschutzaspekt kommt ein weiteres Problem hinzu. Die Tauben sitzen auf den umliegenden Dächern sowie auf dem Turm und kommen einer ganz natürlichen Neigung nach. Sie hinterlassen Kot – und das in Größenordnungen. So finden sich täglich neue Ansammlungen davon auf den Dächern, Straßen und Wegen. Rings um den historischen Turm ist die Verschmutzung extrem.

„Die Beräumung haben wir fast schon aufgegeben“, erläutert Anwohnerin Kathrin Hennig. Sie hat den Fall dokumentiert und zeigt Bilder. „Bis zum Mittag etwa gehen die Tiere auf Nahrungssuche“, berichtet Minuth. „Aber ab etwa 12 Uhr sammeln sie sich wieder rings um den Turm und sind dann zu Hunderten präsent.“

In ganzen Flugstaffeln machen sich die Vögel auf und bedrängen das große Seitenfenster im Turm. Sie fechten einen Kampf gegen die Gitterstäbe aus, den sie nicht gewinnen können. „Ganz klar, sie wollen zurück in ihr angestammtes Zuhause“, schätzt die in Wegeleben praktizierende Tierärztin Sandra Günzke ein. „Man sollte sie einfach wieder einlassen“, sagt sie.

Sie versteht die Handlungsweise der Stadt nicht ganz. „Das Bauwerk wird nicht durch den Taubenkot beschädigt“, sagt sie. „Dazu gibt es wissenschaftliche Studien.“ Dabei präsentiert sie einen Prüfungsbericht der Technischen Universität Darmstadt, der eine Schädigung von maximal 0,5 Prozent der Bausubstanz ausweist. Außerdem verweist sie auf Umsiedlungsprogramme großer Städte, die ihre verwilderten Brieftauben in leerstehende historische Gebäude außerhalb des Zentrums evakuiert haben. Dem Bürgermeister ist dies alles bekannt. „Es geht hier nicht darum, dass wir etwa tierfeindlich wären“, sagt er. „Es fehlt schlicht und ergreifend das Geld, um solche Säuberungsaktionen des Baudenkmals auch künftig vorzunehmen.“ Die Reinigung müsse zwingend durch eine Fachfirma erfolgen. Die Belästigung der Bürger bedauert er. Er sehe jedoch keine andere Möglichkeit, um das Denkmal zu erhalten.

Sandra Günzke kontert mit einem Vorschlag. „Ich wäre bereit, mich darum zu kümmern, das Geld für die Reinigung aufzutreiben.“ Den Vorschlag nimmt Zimmer zur Kenntnis. „Ich wäre ebenfalls bereit, dieses Angebot im Stadtrat vorzustellen“, äußert er sich. „Klar muss aber sein, dass wir im Vorfeld wissen müssen, über welche Summe wir da reden und dieses Geld muss vorhanden sein.“ Er wolle erst dann den Stadtrat darüber abstimmen lassen, ob der Eulenturm wieder für die Tiere geöffnet werden soll.

„Die Reinigung ist in Absprache mit der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landkreis Harz erfolgt“, sagt Kreissprecherin Ingelore Kamann. „Die Vorgaben sind auch so umgesetzt worden.“ Das spezielle Tauben-Problem in Wegeleben könne nur vor Ort gelöst werden, indem man sich an einen Tisch setze und die Möglichkeiten sachlich erörtere, so Kamann.