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Ausstellung  Im Gespräch über Kunst und Geschichte

Die Zeit des Nationalsozialismus wird im Rahmen einer Ausstellung in der Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt in Fokus gerückt.

Von Renate Petrahn 01.02.2017, 13:03

Halberstadt l Zweifach wurde der Opfer des Holocausts am 27. Januar gedacht, am Vormittag in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge und am Abend in der Moses-Mendelssohn-Akademie. Im Rahmen der Finissage ihrer Ausstellung „Untertauchen, Übrigbleiben“ sprach Silvia Dzubas in der Klaussynagoge in sehr persönlicher Weise und in direktem Dialog mit den Besuchern nicht nur über ihre künstlerische Arbeit, sondern auch darüber, wie sehr die Zeit des Nationalsozialismus das Leben ihrer Familie und vor allem das ihres Vaters geprägt hatte.

Als Einstimmung in diesen besonderen Abend, an dem menschliche Schicksale im historischen Kontext und ihr Reflex in der Kunst betrachtet wurden, las Jutta Dick zwei Briefe aus den Jahren 1947/1948. Die Direktorin der Moses-Mendelssohn-Akademie hatte diese Briefe ausgewählt, die der Vater von Silvia Dzubas an seinen in den USA lebenden berühmten Malerbruder Friedel Dzubas richtete, um das familiäre Umfeld, in dem die Berliner Künstlerin aufwuchs, näher zu charakterisieren.

Briefe, von denen diese erst lange nach dem Tod des Vaters Kenntnis erhielt und so wie in einem Puzzle das Leben ihres Vaters während des Nationalsozialismus nach und nach rekonstruieren konnte. Denn, so antwortete Silvia Dzubas auf die Frage von Nicolas Bertrand, Leiter der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, ob ihr Vater über sein Leben während des Nationalsozialismus gesprochen habe: „Er wollte uns Kinder nicht mit seinen Erlebnissen während der Shoa belasten“.

In ihren in der Ausstellung gezeigten fotografischen Arbeiten nähert sie sich ein weiteres Mal ihrem Vater, indem sie Aufnahmen aus dem Familienalbum, eine ständige Inspirationsquelle für die Heranwachsende, mit Aufnahmen aus den Berliner Müggelbergen kombinierte. Die Beschäftigung mit der Kunst war gehörte bei der Familie Dzubas immer dazu. Dennoch glaubte ihr Vater, Kurt Dzubas, sich nicht der Malerei widmen zu dürfen, sondern fühlte sich aufgrund seines Gerechtigkeitssinns sein Leben lang verpflichtet, mitzuhelfen, eine gerechtere und bessere Welt aufzubauen. Eine Haltung, die durch seine Erfahrungen als Zwangsarbeiter im Lager von Berga bei Schlieben, dem drittgrößten von über 136 Außenlagern des KZ Buchenwalds, noch verstärkt wurde.

Und doch war es die Kunst, wie Silvia Dzubas erzählte, die ihm das Leben rettete. Denn auch sein Onkel Willy war als Künstler bekannt gewesen. Als der Vater im Lager an einer Gesichtsrose erkrankte, fragte der Aufseher, ob er mit dem Grafiker Willy Dzubas verwandt sei. Als Kurt Dzubas bejahte, gab man ihm das Medikament, das ihn überleben ließ.

Was ihrem Vater verwehrt blieb, sein Leben der Kunst zu widmen, das gelang seiner Tochter. Ihre in der Klaussynagoge gezeigten kleinformatigen dem Abstrakten Expressionismus verpflichteten Tafelbilder über den 3300 Jahre langen Weg des Alphabets luden auch am letzten Tag der Ausstellung zur Meditation ein.

Im Gespräch mit den Besuchern verstand es Silvia Dzubas, deren Blicke hinein in hinter der Oberfläche Erahntes zu ziehen. Beeindruckt verabschiedeten sich die Gäste der Finissage von der Künstlerin, oftmals mit einem Dank dafür, dass sie sich so den Menschen geöffnet hatte.