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95. Geburtstag Alt-Halberstädterin feiert in Geburtsstadt

Judith Biran, geboren 1921 in Halberstadt, lebt in Tel Aviv. Am Montag hat sie ihren 95. Geburtstag gefeiert.

Von Gerald Eggert 24.03.2016, 05:00

Halberstadt l Der Unterricht schien den Mädchen und Jungen am Montagvormittag zweitrangig zu sein, denn sie erwarteten aufgeregt einen lieben Gast, eine gute Freundin. Judith Biran hatte ihren Besuch angekündigt. Aus Israel war sie angereist, um in ihrer Geburtsstadt ihren 95. Geburtstag zu feiern.

Dazu zählen die Schüler sowie die Lehrerinnen der Grundschule „Miriam Lundner“. 2001 war Judith Biran anlässlich der Namensgebung erstmals zu Gast und reist seitdem mindestens einmal im Jahr von ihrer neuen in die alte Heimat.

Judith Biran ließen die Gedanken an die Heimat nie richtig los. Und so kommt sie Jahr um Jahr nach Halberstadt. Hier erzählt sie Schülern von ihren Erlebnissen, von einer schlimmen Zeit für die jüdischen Halberstädter. Sie berichtet aber auch vom Leben in Israel.

Und sie besucht Freunde wie Werner Hartmann, der als Erster in den 1950er Jahren Kontakt zu der jüdischen Gemeinde in Israel hergestellt hat. Der Ehrenbürger, Stadtchronist und Schulpate, hatte an dem Tag neben der Jubilarin Platz genommen und lud sie später zum „Konditern“ ein.

Vor der Ankunft der Jubilarin bildeten die Kinder von der Straße bis in die erste Etage des Schulgebäudes Spalier und bereiteten ihr einen herzlichen Empfang mit einem Geburtagslied. Auf ihrem Weg nahm die zierliche Frau dutzende Blumen, kleine Geschenke und viele persönliche Glückwünsche entgegen.

Der Ehrengast nahm in einem Klassenraum Platz, in dem Mädchen und Jungen der 2. und 3. Klassen sowie zwei Erstklässler ein Programm vorbereitet hatten. Judith Biran, die mit Schwiegertochter Ruti und Enkel Zvika nach Deutschland gereist war, hörte Lieder, Gedichte und zwei Solisten mit ihren Gitarren.

Viel Zeit hatten die Akteure nicht, um sich auf den Tag vorzubereiten, berichtete Schulleiterin Bettina Oelmann. Es hatte sich erst eine Woche zuvor entschieden, dass Judith Biran nach Halberstadt kommt. „Wir freuen uns sehr über deinen Besuch“, sagte Bettina Oelmann und erinnerte an die erste Begegnung vor 15 Jahren. Um der Schule einen Namen zu geben, der ihr eine unverwechselbare Identität verleihen sollte, war man auf Beate Lundner-Pappenheim in Jerusalem gestoßen. Sie stimmte zu, dass die Schule fortan den Namen ihrer jüngsten Schwester Miriam trägt.

„Judith Biran hat uns oft von ihrer Kindheit erzählt, von der jüdischen Schule im Westendorf, an der Jakob Lundner bis 1942 Direktor war“, sagte Bettina Oelmann den aufmerksam zuhörenden Schüler. Die jüdische Gemeinde in Halberstadt war damals eine der größten in Deutschland. „Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten hat sich vieles verändert in der Stadt“, berichtete die Schulleiterin, „wo man früher friedlich miteinander lebte, bestimmte nun Hass gegenüber den Juden den Alltag. Juden wurden beschimpft und geschlagen, ihre Geschäfte und die Synagoge zerstört. Die Nazis haben bis zum Kriegsende über 400 von ihnen ermordet. Die letzten 142 Gemeindemitglieder wurden im April und im November 1942 nach Warschau und Theresienstadt deportiert.“

„Ich komme gern in eure Schule, vor allem euretwegen“, sagte Judith Biran. „Ich freue mich jedes Mal, neue Kinder kennenzulernen. Vielen Dank für euren herzlichen Empfang. Ich werde allen davon erzählen.“ Den Kindern gab sie mit auf den Weg, immer fleißig zu lernen, Freundschaften zu pflegen und den Eltern Freude zu bereiten.